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Bundesgerichtshof zur Zulässigkeit der AdWord-Werbung bei Google

26. Januar 2009

In drei heute verkündeten Entscheidungen hat sich der u. a. für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit der kennzeichenrechtlichen Beurteilung der Verwendung fremder Kennzeichen als Schlüsselwörter (Keywords) im Rahmen der von der Suchmaschine Google eröffneten Möglichkeit der Werbung mit sog. AdWord-Anzeigen befasst. In zwei Sachen hat der Bundesgerichtshof Ansprüche der Kennzeicheninhaber verneint, in der dritten Sache hat er dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eine Frage zur Auslegung der Markenrechtsrichtlinie vorgelegt.

In den Verfahren ging es um die in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beurteilte Frage, ob es eine Kennzeichenverletzung darstellt, wenn ein Dritter ein fremdes Kennzeichen (also eine Marke oder eine Unternehmensbezeichnung) oder eine dem geschützten Zeichen ähnliche Bezeichnung einem Suchmaschinenbetreiber gegenüber als Schlüsselwort angibt mit dem Ziel, dass bei der Eingabe dieser Bezeichnung als Suchwort in die Suchmaschine in einem von der Trefferliste räumlich getrennten Werbeblock eine als solche gekennzeichnete Anzeige des Dritten (mit Link auf dessen Website) als Werbung für seine Waren oder Dienstleistungen erscheint. In den entschiedenen Fällen enthielt die Anzeige weder das als Suchwort verwendete fremde Zeichen noch sonst einen Hinweis auf den Kennzeicheninhaber oder auf die von diesem angebotenen Produkte.

Im ersten Verfahren – I ZR 125/07 – hatte die beklagte Anbieterin von Erotikartikeln gegenüber Google das Schlüsselwort “bananabay” angegeben. “Bananabay” ist für die Klägerin, die unter dieser Bezeichnung ebenfalls Erotikartikel im Internet vertreibt, als Marke geschützt. Ist eine als Schlüsselwort benutzte Bezeichnung – wie in diesem Fall – mit einer fremden Marke identisch und wird sie zudem für Waren oder Dienstleistungen benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die die fremde Marke Schutz genießt, hängt die Annahme einer Markenverletzung in einem solchen Fall nur noch davon ab, ob in der Verwendung der geschützten Bezeichnung als Schlüsselwort eine Benutzung als Marke im Sinne des Markengesetzes liegt. Da die Bestimmungen des deutschen Rechts auf harmonisiertem europäischen Recht beruhen, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt, um dem Europäischen Gerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EG-Vertrag vorzulegen.

Im zweiten Verfahren – I ZR 139/07 – standen sich zwei Unternehmen gegenüber, die über das Internet Leiterplatten anbieten. Für die Klägerin ist die Marke “PCB-POOL” geschützt. Der Beklagte hatte bei Google als Schlüsselwort die Buchstaben “pcb” angemeldet, die von den angesprochenen Fachkreisen als Abkürzung für “printed circuit board” (englisch für Leiterplatte) verstanden werden. Die Adword-Anmeldung von “pcb” hatte zur Folge, dass auch bei Eingabe von “PCB-POOL” in die Suchmaschine von Google in dem gesonderten Anzeigenblock neben der Trefferliste eine Anzeige für Produkte des Beklagten erschien. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall die Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils abgewiesen. Der Markeninhaber kann in der Regel die Verwendung einer beschreibenden Angabe (hier “pcb”) auch dann nicht untersagen, wenn sie markenmäßig benutzt und dadurch die Gefahr einer Verwechslung mit der geschützten Marke begründet wird. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall eine markenrechtlich erlaubte beschreibende Benutzung angenommen. Da eine Kennzeichenverletzung schon aus diesem Grund zu verneinen war, kam es auf die in dem Verfahren I ZR 125/07 dem Europäischen Gerichtshof vorgelegte Rechtsfrage nicht mehr an.

Am dritten Verfahren – I ZR 30/07 – war ebenfalls die Klägerin des zweiten Verfahrens – sie führt die Unternehmensbezeichnung “Beta Layout GmbH” – beteiligt. Hier ging es darum, dass ein anderer Wettbewerber bei Google als Schlüsselwort die Bezeichnung “Beta Layout” anmeldet hatte. Auch in diesem Fall erschien immer dann, wenn ein Internetnutzer bei Google als Suchwort “Beta Layout” eingab, neben der Trefferliste ein Anzeigenblock mit einer Anzeige für die Produkte des Wettbewerbers. In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, das eine Verletzung der Unternehmensbezeichnung und einen entsprechenden Unterlassungsanspruch mit der Begründung verneint hatte, es fehle an der für die Verletzung der Unternehmensbezeichnung erforderlichen Verwechslungsgefahr. Der Internetnutzer nehme nicht an, dass die in dem gesonderten Anzeigenblock neben der Trefferliste erscheinende Anzeige von der Beta Layout GmbH stamme. Diese tatrichterliche Feststellung des Verkehrsverständnisses war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden. Da der Schutz der Unternehmensbezeichnungen anders als der Markenschutz nicht auf harmonisiertem europäischem Recht beruht, kam in diesem Verfahren eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht in Betracht.

Beschluss vom 22. Januar 2009 – I ZR 125/07 – Bananabay

LG Braunschweig – Urteil vom 7. März 2007 – 9 O 2382/06

OLG Braunschweig – Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 U 24/07MMR 2007, 789

Urteil vom 22. Januar 2009 – I ZR 139/07 – pcb

LG Stuttgart – Urteil vom 13. März 2007 – 41 O 189/06

OLG Stuttgart – Urteil vom 9. August 2007 – 2 U 23/07 – WRP 2007, 649

Urteil vom 22. Januar 2009 – I ZR 30/07 – Beta Layout

LG Düsseldorf – Urteil vom 7. April 2006 – 34 O 179/05

OLG Düsseldorf – Urteil vom 23. Januar 2007 – 20 U 79/06WRP 2007, 440

Quelle: Pressemitteilung Nr. 17/09 vom 22.01.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Diskriminierung wegen des Alters – Entschädigung

23. Januar 2009

Beschränkt ein öffentlicher Arbeitgeber die Auswahl, welche Beschäftigte er einem sog. „Personalüberhang“ zuordnet und dann zu einem sog. Stellenpool versetzt, auf Beschäftigte einer bestimmten Altersgruppe, so führt das zu einer unzulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters iSd. § 10 AGG, wenn er seine Vorgehensweise lediglich damit rechtfertigt, sie sei zur Herstellung einer ausgewogenen Personalstruktur erforderlich, ohne dass er im Einzelnen darlegt, welche konkreten Personalstrukturen er schaffen will, sowie aus welchen Gründen und mit welchen Maßnahmen dies geschehen soll. Ein dadurch unzulässig benachteiligter Beschäftigter hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen des erlittenen Schadens, der sich nicht als Vermögensschaden darstellt.

Die Klägerin war als Erzieherin in einer vom beklagten Land betriebenen Kindertagesstätte beschäftigt. Mit dem Stellenpoolgesetz vom 9. Dezember 2003 errichtete das beklagte Land den sog. Stellenpool als Landesbehörde. Zu dieser wurden die Landesbeschäftigten versetzt, die von ihrer Dienst- oder Personalstelle dem „Personalüberhang“ zugeordnet worden waren. Die Auswahl der zuzuordnenden Beschäftigten erfolgte aufgrund einer Verwaltungsvorschrift anhand eines Punkteschemas. Für die in einem Eigenbetrieb zusammengefassten Kindertagesstätten war die Auswahl auf Erzieherinnen beschränkt, welche am 1. Oktober 2006 das 40. Lebensjahr vollendet hatten. Die Klägerin, die zum Stichtag älter als 40 Jahre war, wurde dem Personalüberhang zugeordnet und ab 1. Januar 2007 zum Stellenpool versetzt. Sie hat wegen einer unzulässigen Benachteiligung auf Grund ihres Alters ein angemessenes Schmerzensgeld verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung von 1.000,00 Euro verurteilt. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des beklagten Landes zurückgewiesen. Dieses hat nichts dargelegt, was die unterschiedliche Behandlung der Klägerin wegen ihres Alters rechtfertigt. Allein die Berufung auf das Erfordernis der Herstellung einer ausgewogenen Personalstruktur genügte dazu nicht. Das beklagte Land hätte konkret darlegen müssen, wie diese Personalstruktur aussehen sollte, warum sie erforderlich war und wie sie aufgrund der vorgenommenen Personalauswahl hätte erreicht werden sollen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 2009 – 8 AZR 906/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2007 – 15 Sa 1144/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/09 vom 22.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Keine Zeitgutschrift bei Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter während der Gleitzeit

23. Januar 2009

§ 29 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) verpflichtet die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Zuständigkeitsbereich der Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) nicht dazu, Arbeitnehmern, die ihr Amt als ehrenamtliche Richter zu einer Zeit ausüben, in der sie nach einem für das Arbeitsverhältnis geltenden flexiblen Arbeitszeitmodell Gleitzeit in Anspruch nehmen können, eine Zeitgutschrift zu gewähren. Eine solche Gutschrift hat nur für die in die Kernarbeitszeit fallende Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter zu erfolgen. Diese tarifliche Bestimmung steht im Einklang mit § 616 BGB und verletzt weder das in §§ 26 ArbGG, 45 Abs. 1a DRiG geregelte Benachteiligungsverbot für ehrenamtliche Richter noch – bei Teilzeitarbeit – das Verbot der Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gem. § 4 Abs. 1 TzBfG.

Die Klägerin nahm am 1. Juni 2006, einem Donnerstag, ihr Amt als ehrenamtliche Richterin beim Landesarbeitsgericht von 8.30 bis 15.00 Uhr wahr. Die Fahrzeit von ihrem Wohnort zum Gericht und zurück war 30 Minuten länger als zu ihrer Arbeitsstelle bei dem beklagten Landkreis, bei dem sie mit einer Arbeitszeit von 35 Stunden/Woche in Teilzeit beschäftigt ist. Für Donnerstag hatten die Parteien jeweils eine Normalarbeitszeit von 07.30 Uhr bis 15.30 Uhr und eine Kernarbeitszeit von 4 Stunden zwischen 9.00 Uhr und 14.00 Uhr vereinbart. Der Landkreis hat der Klägerin für den 1. Juni 2006 auf deren Arbeitszeitkonto vier Stunden gutgeschrieben. Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Gutschrift von drei weiteren Arbeitsstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto verlangt.

Der Senat hat – anders als die Vorinstanzen – die Klage abgewiesen. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes dürfen von Arbeitnehmern, denen ein Arbeitszeitmodell Zeitsouveränität einräumt, ohne Verstoß gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot verlangen, staatsbürgerliche Pflichten und damit auch eine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter soweit wie möglich außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Dafür müssen diese Arbeitnehmer auch Gleitzeit in Anspruch nehmen, ohne von ihrem Arbeitgeber einen Stundenausgleich zu erhalten. Es ist in erster Linie Aufgabe des Staates, den ehrenamtlichen Richtern eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung zu gewähren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Januar 2009 – 6AZR 78/08 -
Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. September 2007 – 26 Sa 577/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 09/09 vom 22.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Gewerkschaftswerbung per E-Mail

22. Januar 2009

Eine tarifzuständige Gewerkschaft darf sich an Arbeitnehmer über deren betriebliche E-Mail-Adressen mit Werbung und Informationen wenden. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber den Gebrauch der E-Mail-Adressen zu privaten Zwecken untersagt hat. Die Entscheidung einer Gewerkschaft, Arbeitnehmer auf diesem Weg anzusprechen, ist Teil ihrer durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Betätigungsfreiheit. Soweit dabei Grundrechte des Arbeitgebers berührt werden, sind die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Arbeitgebers und sein von Art. 2 Abs. 1 GG erfasstes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb haben gegenüber der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit zurückzutreten, solange der E-Mail-Versand nicht zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen oder spürbaren, der Gewerkschaft zuzurechnenden wirtschaftlichen Belastungen führt. Auf Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer kann sich der Arbeitgeber im Rahmen eines deliktischen Unterlassungsanspruchs gegenüber der Gewerkschaft nicht berufen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies deshalb – anders als die Vorinstanzen – die Klage eines Dienstleistungsunternehmens auf dem Gebiet der Informationstechnologie ab, mit der dieses der Gewerkschaft ver.di die Versendung von E-Mails an die betrieblichen E-Mail-Adressen seiner Mitarbeiter untersagen lassen wollte. Störungen des Betriebsablaufs oder messbare wirtschaftliche Nachteile hatte die Arbeitgeberin nicht vorgetragen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 30. April 2008 – 18 Sa 1724/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 08/09 vom 20.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Einhaltung der Abrechnungsfrist für Betriebskosten durch den Wohnungsvermieter

21. Januar 2009

Der Bundesgerichtshof hat am 21.01.2009 entschieden, dass auch bei einer Versendung auf dem Postweg die rechtzeitige Absendung einer Betriebskostenabrechnung nicht zur Wahrung der in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB* geregelten Abrechnungsfrist von einem Jahr genügt, sondern die Abrechnung dem Mieter noch innerhalb der Frist zugegangen sein muss. Ferner hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt, nach der bei zur Post gegebenen Briefen kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung besteht.
Die Kläger waren Mieter einer von der Beklagten vermieteten Wohnung in Berlin. Nach Beendigung des Mietverhältnisses verlangten die Kläger die Auszahlung eines Guthabens von 355,26 €. Die Beklagte machte ihrerseits eine Nachforderung in Höhe von 625,71 € aus einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 geltend. Mit dieser Forderung hat sie die Aufrechnung erklärt und wegen des die Klageforderung übersteigenden Betrages von 270,45 € Widerklage erhoben. Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte habe die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht gewahrt, weil die Kläger die unter dem Datum 21. Dezember 2005 erstellte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2004 nicht erhalten hätten. Die Beklagte hat Beweis dafür angetreten, dass die Abrechnung rechtzeitig durch Aufgabe zur Post abgesendet worden sei. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Nachforderung der Beklagten gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgeschlossen ist, weil die Beklagte die einjährige Abrechnungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht eingehalten hat. Zur Wahrung dieser Frist muss die Betriebskostenabrechnung dem Mieter noch innerhalb der Frist zugegangen sein; die rechtzeitige Absendung der Abrechnung genügt nicht (so ausdrücklich der Regierungsentwurf zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Drs. 14/4553, S. 51). Die von der Beklagten unter Beweis gestellte Tatsache, dass ihr Lebensgefährte die Betriebskostenabrechnung am 21. Dezember 2005 als Brief zur Post gegeben und an die Kläger abgeschickt habe, begründet keinen Anscheinsbeweis dafür, dass den Klägern die Betriebskostenabrechnung rechtzeitig zugegangen ist. Bei zur Post gegebenen Briefen besteht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung.
Die Geltendmachung der Nachforderung durch die Beklagte wäre deshalb gemäß § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nur dann nicht ausgeschlossen, wenn die Beklagte die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten hätte. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Für das Vertretenmüssen im Sinne von § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB gilt die Vorschrift des § 278 BGB, sodass der Vermieter auch ein Fehlverhalten seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten hat. Hier war die Post als Erfüllungsgehilfin der Beklagten für die Zusendung der Abrechnung anzusehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 278 BGB nicht einschränkend anzuwenden und der in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB geregelten Ausnahmefall nicht generell anzunehmen, wenn auf dem Postweg für den Vermieter unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste aufgetreten sind. Dies liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass im Hinblick auf den Ausschluss von Nachforderungen in allen Fällen des Postversands – abgesehen von Ausnahmesituationen (z. B. Poststreik) – doch die rechtzeitige Absendung der Abrechnung zur Fristwahrung genügen würde. Dies widerspräche jedoch der ausdrücklichen Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Es hängt vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, ob eine verzögerte Postzustellung oder ein Verlust der Postsendung auf einem Verschulden der Post beruht (BGH, Urteil vom 21. Januar 2009 – VIII ZR 107/08).

Vorinstanzen: AG Charlottenburg – Urteil vom 8. März 2007 – 218 C 517/06; LG Berlin – Urteil vom 29. Januar 2008 – 65 S 176/07

*§ 556 BGB: Vereinbarungen über Betriebskosten
(3) Über die Vorauszahlungen für Betriebskosten ist jährlich abzurechnen; dabei ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. (…)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 16/09 vom 21.01.2009 auf www.bundesgerichtshof.de

Betriebsbedingte Änderungskündigung gegenüber Leiharbeitnehmer mit dem Ziel der arbeitsvertraglichen Bindung an tarifvertragliche Regelungen der Verleihbranche

16. Januar 2009

Eine Änderungskündigung ist unwirksam, wenn das Angebot des kündigenden Arbeitgebers unbestimmt ist. Der Arbeitnehmer muss dem Änderungsangebot sicher entnehmen können, welcher Vertragsinhalt zukünftig maßgeblich sein soll. Der Kläger war seit 1999 bei dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt und wurde als Produktionshelfer „ausgeliehen“. Zwischen den Parteien besteht keine Tarifgebundenheit. Mit Schreiben vom 24. November 2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß und bot dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag an, der ua eine Bezugnahme auf einen Tarifvertrag vorsah. Für den Fall, dass dieser Tarifvertrag „unwirksam wird“, sollte ein anderer Tarifvertrag gelten.

Der Kläger nahm die angebotene Änderung unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers hin stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Im Entscheidungsfall konnte es der Senat dahingestellt sein lassen, ob das beklagte Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen den Kläger nicht mehr dauerhaft zu den bisherigen Arbeitsvertragsbedingungen, dh zu sog. equal-treatment-Bedingungen, vermitteln konnte und ob die angebotenen geänderten Vertragsbedingungen verhältnismäßig waren. Die Änderungskündigung war schon deshalb unwirksam, weil das Änderungsangebot unklar war. Für den Arbeitnehmer war nicht ersichtlich, welche konkreten Arbeitsbedingungen für ihn zukünftig gelten sollten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Januar 2009 – 2 AZR 641/07 -
Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. April 2007 – 21 Sa 62/06 –

Quelle: Pressemitteilung Nr. 05/09 vom 15.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Überlange Bindung des Arbeitnehmers durch Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten

16. Januar 2009

Klauseln, nach denen der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten verpflichtet ist, unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Voraussetzung für eine Rückzahlungsklausel ist danach, dass die Ausbildung von geldwertem Vorteil für den Arbeitnehmer ist und dieser nicht unangemessen lange an das Arbeitsverhältnis gebunden wird. Bei der Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer sind im Rahmen bestimmter von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelter Richtwerte einzelfallbezogen die Vorteile der Ausbildung mit den Nachteilen der Bindung abzuwägen.

Ist eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, führt dies grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel insgesamt; ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht. Eine „geltungserhaltende Reduktion“ auf die zulässige Bindungsdauer findet nicht statt. Zumindest die Besonderheiten des Arbeitsrechts und -lebens fordern eine ergänzende Vertragsauslegung jedoch ausnahmsweise dann, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen und sich dieses Prognoserisiko für den Arbeitgeber verwirklicht.

Die Rückzahlungsklage des Arbeitgebers war vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts ebenso wie in den Vorinstanzen erfolglos. Im zu entscheidenden Fall hatte sich ein etwaiges Prognoserisiko nicht verwirklicht; der Arbeitgeber hatte statt einer möglicherweise zulässigen Bindung von zwei Jahren eine unzulässige von fünf Jahren vereinbart.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Januar 2009 – 3 AZR 900/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 6. September 2007 – 10 Sa 142/07

Quelle: Pressemitteilung Nr. 04/09 vom 14.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Unverfallbarkeitsfrist bei Versorgungszusagen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2001

16. Januar 2009

Ist die Versorgungszusage vor dem 1. Januar 2001 erteilt worden, so hat der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer nach § 30f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung mit Ablauf des 31. Dezember 2005 eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt, falls er bereits das 30. Lebensjahr vollendet hat. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet worden ist.

In dem vom Senat zu entscheidenden Fall hatte der beklagte Arbeitgeber der klagenden Arbeitnehmerin mit Urkunde vom 25. August 1999 eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung zugesagt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung des Arbeitgebers vom 28. Oktober 2005 mit Ablauf des 31. Dezember 2005. Er hatte sich vertraglich verpflichtet, das Versicherungsverhältnis auf die Klägerin zu übertragen, falls sie mit einer gesetzlich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausschied. Die Klägerin hat einen entsprechenden Anspruch eingeklagt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Es genügt, dass die Unverfallbarkeitsfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreicht ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Januar 2009 – 3 AZR 529/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juli 2007 – 20 Sa 106/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 03/09 vom 14.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner bei Betrieblicher Hinterbliebenenrente

16. Januar 2009

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass Überlebende einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aus Gründen der Gleichbehandlung einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben können, wenn für Ehegatten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine dahingehende Zusage besteht.

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 1. April 2008 (- C-267/06 – Maruko) sind die überlebenden Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bei der im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung gewährten Hinterbliebenenversorgung überlebenden Ehegatten gleichzustellen, wenn die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht Personen gleichen Geschlechts in eine Situation versetzt, die in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung mit der Situation von Ehegatten vergleichbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01 -) verpflichtet der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe in Art. 6 des Grundgesetzes den einfachen Gesetzgeber nicht, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es ist damit Sache des einfachen Gesetzgebers, zu bestimmen, ob und inwieweit er zwischen der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine vergleichbare Situation schafft. Seit der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“ ab 1. Januar 2005 für eingetragene Lebenspartner den Versorgungsausgleich eingeführt und in der gesetzlichen Rentenversicherung die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe gleichgestellt hat, ist rechtlich eine vergleichbare Situation auch hinsichtlich der im Arbeitsverhältnis zugesagten Hinterbliebenenversorgung geschaffen. Auch tatsächliche Unterschiede, die im Hinblick darauf, dass es sich bei der zugesagten Hinterbliebenenversorgung um Arbeitsentgelt des Versorgungsberechtigten handelt, die Annahme einer nicht vergleichbaren Situation rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Daraus folgt: Überlebende eingetragene Lebenspartner haben in gleichem Maße wie überlebende Ehegatten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Voraussetzung ist, dass am 1. Januar 2005 noch ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand; der Senat hat offen gelassen, ob dazu ein Arbeitsverhältnis erforderlich ist oder ob es ausreicht, wenn der Arbeitnehmer mit Betriebsrentenansprüchen oder unverfallbaren Anwartschaften ausgeschieden ist. Die Ansprüche ergeben sich seit seinem Inkrafttreten im Jahre 2006 aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und für die Zwischenzeit aus der im Arbeitsrecht allgemein geltenden Pflicht zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmern.

Der Senat hat nicht über die Frage entschieden, welche Ansprüche gegenüber kirchlichen Arbeitgebern bestünden.

Geklagt hatte der überlebende eingetragene Lebenspartner eines ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten. Bei ihr besteht eine Versorgungsordnung, in der eine Hinterbliebenenversorgung zugunsten von Ehepartnern, nicht jedoch eingetragenen Lebenspartnern zugesagt ist. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos, weil der Lebenspartner des Klägers und ehemalige Arbeitnehmer der Beklagten bereits vor dem 1. Januar 2005 verstorben war.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. Januar 2009 – 3 AZR 20/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19. Juli 2006 – 7 Sa 139/06

Quelle: Pressemitteilung Nr. 02/09 vom 14.01.2009 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Wirksamkeit einer nachträglich getroffenen Vereinbarung über die Endrenovierung der Mietwohnung

14. Januar 2009

Der unter anderem für das Wohnraummietecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine im Wohnungsübergabeprotokoll vereinbarte Endrenovierungsklausel nicht deshalb unwirksam ist, weil der Mietvertrag eine unwirksame Schönheitsreparaturklausel enthält.

Der Beklagte war Mieter einer Wohnung des Klägers. In dem Formularmietvertrag vom 12. Februar 2000 ist unter § 16 in Nr. 1 geregelt, dass die Schönheitsreparaturen von dem Mieter während der laufenden Mietzeit fachgerecht und der Art der Mieträume entsprechend regelmäßig auszuführen seien, und zwar während der Mietzeit mindestens in bestimmten Zeitabständen. § 16 Nr. 2 des Formularmietvertrages sieht vor, dass der Mieter die Mieträume in einem Nr. 1 entsprechenden Zustand zurückzugeben habe. In einem von den Mietvertragsparteien unterschriebenen Wohnungsübergabeprotokoll vom 6. März 2000 heißt es unter Nr. 6:

“Herr U. übernimmt vom Vormieter M. die Wohnung im renovierten Zustand. Er verpflichtet sich dem Vermieter gegenüber, die Wohnung ebenfalls im renovierten Zustand zu übergeben.”

Der Kläger begehrt unter anderem Schadensersatz für Renovierungsarbeiten nach Beendigung des Mietverhältnisses in Höhe von 1.232,61 €. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass ein Anspruch des Klägers zwar nicht aus der Klausel Nr. 1 in § 16 des Mietvertrages hergeleitet werden kann, weil sie einen starren Fristenplan enthält und deswegen unwirksam ist. Auch Klausel Nr. 2 bietet keine Grundlage, weil sie eine starre, vom Abnutzungszustand losgelöste Endrenovierungsklausel beinhaltet, die ebenfalls unwirksam ist. Eine Renovierungspflicht folgt jedoch aus der Endrenovierungsvereinbarung in Nr. 6 des Wohnungsübergabeprotokolls, sofern es sich dabei, wie vom Berufungsgericht angenommen, um eine Individualvereinbarung handelt.

Die Unwirksamkeit einer solchen, für sich allein gesehen unbedenklichen Abrede kann nicht aus dem Zusammentreffen mit einer nach § 307 BGB unwirksamen Formularklausel – hier den Klauseln in § 16 des Mietvertrags – und einem dadurch eintretenden Summierungseffekt abgeleitet werden. Soweit aus dem Zusammentreffen einer Individualvereinbarung und einer Formularklausel eine unangemessene Benachteiligung des Mieters folgt, führt das nur zur Unwirksamkeit der Formularklausel. Die Individualvereinbarung unterliegt dagegen nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Ebenso wenig kann eine Nichtigkeit der Individualvereinbarung gemäß § 139 BGB, wonach bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft als nichtig anzusehen ist, angenommen werden, wenn die Individualvereinbarung wie im hier zu entscheidenden Fall nachträglich getroffen wurde und es somit an der erforderlichen Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts fehlt. Durch das Protokoll der Wohnungsübergabe haben die Parteien vielmehr dem bestehenden Mietvertrag noch eine weitere Abrede hinzugefügt, ohne den sonstigen Bestand an Rechten und Pflichten zu verändern.

Das Berufungsgericht wird nunmehr zu klären haben, ob es sich – wie vom Beklagten behauptet – bei dem Wohnungsübergabeprotokoll und der darin enthaltenen Endrenovierungsabrede um ein vom Kläger zur Mehrfachverwendung bestimmtes Formular handelt, das als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt.

Urteil vom 14. Januar 2009 – VIII ZR 71/08

AG Hannover – Urteil vom 9. Mai 2007 – 552 C 15466/06

LG Hannover – Urteil vom 25. Januar Mai 2008 – 4 S 43/07

Karlsruhe, den 14. Januar 2009

Quelle: Pressemitteilung 7/2009 vom 14.01.2009 auf www.bundesgerichtshof.de