22. September 2008
Ein bei der Deutschen Telekom AG eingesetzter Beamter, der amtsangemessen beschäftigt werden will, ist nicht verpflichtet, sich auf Stellen bei der Telekom oder ihren Tochterunternehmen zu bewerben. Kommt er einer entsprechenden Weisung nicht nach, darf er deswegen nicht gemaßregelt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 18.09.2008 entschieden.
Der Kläger wurde im Dezember 2003 im Zuge personeller Umstrukturierungen von seinen bisherigen Aufgaben entbunden und zu der Personalservice-Agentur Vivento der Telekom versetzt. Dort wurde ihm – wie allen zu Vivento versetzten Beamten – kein neuer Aufgabenbereich übertragen. Die Telekom forderte ihn auf, an Bewerbungsverfahren um freie Stellen teilzunehmen, deren Ausgang ungewiss war. Die Telekom wurde rechtskräftig verurteilt, den Kläger amtsangemessen zu beschäftigen. Gleichwohl sprach sie wegen seiner Weigerung, sich zu bewerben, eine schriftliche Missbilligung aus und drohte dem Kläger disziplinarische Sanktionen an. Das Verwaltungsgericht hob die Missbilligung auf.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Urteil bestätigt. Der Kläger brauchte der Aufforderung zur Bewerbung nicht nachzukommen. Sie war rechtswidrig, weil die Telekom dadurch ihre Pflicht verletzte, den Kläger amtsangemessen zu beschäftigen. Das Bestehen dieser Pflicht hatte der Senat bereits in seinem gegen die Telekom ergangenen Urteil vom 22. Juni 2006 – BVerwG 2 C 26.05 -ausgesprochen (Pressemitteilung Nr. 35/2006).
BVerwG 2 C 126.07 – Urteil vom 18. September 2008
Quelle: Pressemitteilung Nr. 59/08 vom 18.09.2008 auf www.bundesverwaltungsgericht.de
Kategorie Arbeitsrecht
22. September 2008
Nach dem Berliner “Stellenpoolgesetz” werden diejenigen Beamten zum Stellenpool versetzt, deren Beschäftigung bei ihren bisherigen Dienststellen durch den Wegfall oder die Verlagerung ihrer Aufgaben nicht mehr möglich ist. Diese Versetzung ist rechtswidrig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Durch die Versetzung verlieren die Beamten ihr bisheriges Amt, ohne beim Stellenpool ein neues Amt zu erhalten. Stattdessen werden sie nach Art von Leiharbeitnehmern zu verschiedenen Berliner Dienststellen abgeordnet oder bei Beschäftigungslosigkeit fortgebildet oder umgeschult. Dies verstößt gegen den verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatz, dass jedem Beamten ein seinem Status entsprechendes Amt übertragen werden muss, in dem er amtsangemessen zu beschäftigen ist. Ein solches Amt wird den zum Stellenpool versetzten Beamten auf Dauer oder jedenfalls ohne absehbare zeitliche Begrenzung vorenthalten.
Das Bundesverwaltungsgericht durfte in den beiden von ihm entschiedenen Fällen das Berliner Stellenpoolgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit nicht vorlegen, weil die Versetzungen schon wegen einer Verletzung der Mitwirkungsrechte des Personalrats aufzuheben waren (BVerwG 2 C 3.07 und 2 C 8.07 – Urteile vom 18. September 2008)
Quelle: Pressemitteilung Nr. 58/08 vom 18.09.2008 auf www.bundesverwaltungsgericht.de
Kategorie Bank- und Kapitalmarktrecht
22. September 2008
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit Urteilen vom 17. September 2008 in vier Revisionsverfahren entschieden, dass Bundesrecht es nicht verbietet, allerdings auch nicht verlangt, Studierende, die mit Hauptwohnung bei den Eltern gemeldet sind, von der Zweitwohnungssteuer für eine Wohnung am Studienort auszunehmen.
Mit ihren Klagen gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer an ihren Studienorten Wuppertal bzw. Rostock hatten die Kläger vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf bzw. dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Erfolg.
Auf die vom Verwaltungsgericht Düsseldorf zugelassene Sprungrevision hat das Bundesverwaltungsgericht dessen Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Das angegriffene Urteil verstoße gegen Bundesrecht. Der Begriff der Aufwandsteuer in Art. 105 Abs. 2a GG fordere – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – für die Zweitwohnungssteuer nicht, dass der Steuerpflichtige über eine Erstwohnung mit einer rechtlich abgesicherten Nutzung verfüge. Das Innehaben einer – weiteren – Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung sei ein besonderer, typischerweise über das allgemeine Wohnbedürfnis hinausgehender Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringe. Zu welchem Zweck eine solche Wohnung genutzt werde und wer sie finanziere, sei unerheblich. Im Rahmen der im Steuerrecht zulässigen Typisierung komme es nicht darauf an, ob im Einzelfall Leistungsfähigkeit gegeben sei. Auch dürfe an die melderechtlichen Verhältnisse angeknüpft werden. Sei der Steuerpflichtige mit einer Hauptwohnung und einer Nebenwohnung gemeldet, indiziere dies, dass er mit der Hauptwohnung seine allgemeinen Wohnbedürfnisse befriedige.
Allerdings seien die Länder und Gemeinden bundesrechtlich nicht gehindert, die Anforderungen an die “Erstwohnung” strenger auszugestalten, etwa indem sie die Steuerpflicht für die Zweitwohnung an eine tatsächliche Verfügungsbefugnis über die Erstwohnung knüpften oder sowohl an die Erst- wie auch die Zweitwohnung gleiche Anforderungen stellten.
Das Sozialstaatsprinzip fordere nicht, BAföG-Empfänger generell von der Steuererhebung auszunehmen. Es genüge, wenn im Einzelfall unzulänglicher Leistungsfähigkeit durch Erlass der Steuerschuld Rechnung getragen werden könne.
Die Revisionen gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern blieben dagegen im Ergebnis erfolglos. Denn das Oberverwaltungsgericht hat unabhängig von bundesrechtlichen Vorgaben die Satzung der Stadt Rostock so ausgelegt, dass an die Erst- und die Zweitwohnung gleiche Kriterien anzulegen seien, weshalb der Steuerpflichtige auch für die Erstwohnung rechtlich verfügungsbefugt sein müsse (BVerwG 9 C 13.07, 9 C 14.07,9 C 15.07, 9 C 17.07 – Urteile vom 17. September 2008).
Quelle: Pressemitteilung Nr. 57/08 vom 17.09.2008 auf www.bundesverwaltungsgericht.de
Kategorie Allgemein
22. September 2008
Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind Miteigentümer eines Hausgrundstücks in Lebach-Falscheid (Saarland). Die Beklagte betreibt in dieser Gegend Bergbau. Seit dem Ende des Jahres 2000 traten dort bergbaubedingte Erderschütterungen mit einer Stärke von mindestens 1,9 bis 3,7 auf der Richterskala auf. An dem Wohnhaus des Klägers bildeten sich seit dem Jahr 2001 Risse an den Innen- und Außenwänden sowie an den Bodenbelägen. Die Beklagte erkannte die Schäden als Bergschäden an und ließ sie fortlaufend beseitigen. Sie ordnete das Gebäude in die höchste Schadensempfindlichkeitskategorie ein.
Mit der Behauptung, die Nutzungsmöglichkeiten des Hauses seien stark eingeschränkt, wodurch die Lebens- und Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werde, was zu einer Minderung des Mietwerts von 200 € pro Monat führe, verlangt der Kläger gestützt auf einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von der Beklagten sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht seiner Lebensgefährtin die Zahlung von 2.600 € nebst Zinsen für die Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006, hilfsweise bis April 2006. Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe von 1.100 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage vollständig abgewiesen.
Der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Klägers das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nach seiner Ansicht enthalten die Vorschriften über die Haftung für Bergschäden (§§ 114 ff. BBergG) keine abschließende Regelung für den Ersatz sämtlicher Schäden, die durch untertägigen Bergbau verursacht werden, sondern einen Auffangtatbestand. Sie lassen einen bürgerlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unberührt. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer, der eine durch die ortsübliche Benutzung eines anderen Grundstücks herbeigeführte und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht zu verhindernde wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung seines Grundstücks dulden muss, von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Geldausgleich verlangen, wenn die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird. Dass die Beeinträchtigung hier nicht von einem anderen Grundstück, sondern von dem Bergbau ausging, hindert die Geltendmachung des Anspruchs nicht; denn die Beklagte ist aufgrund des ihr verliehenen Bergwerkseigentums tätig geworden, für das die Vorschriften über Grundstücke entsprechend gelten.
Ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ob insbesondere die Nutzung des Grundstücks des Klägers unter Berücksichtigung der Lage in einem Bergbaugebiet unzumutbar beeinträchtigt gewesen ist, muss das Berufungsgericht aufklären (BGH, Urteil vom 19. September 2008 – V ZR 28/08).
Vorinstanzen: AG Lebach – Urteil vom 30. März 2007 – 3A C 80/06; LG Saarbrücken – Urteil vom 17. Januar 2008 – 11 S 87/07
Quelle: Pressemitteilung Nr. 177/08 vom 19.09.2008 auf www.bundesgerichtshof.de
Kategorie Miet- und Immobilienrecht
22. September 2008
Die Beschäftigung eines Studenten als „studentische Hilfskraft“ an einer Forschungseinrichtung setzt in der Regel voraus, dass er dem Studium nachgeht. Entfällt diese Voraussetzung, zB durch Exmatrikulation, ist eine Kündigung aus personenbedingten Gründen regelmäßig gerechtfertigt.
Der Kläger war bei dem beklagten Forschungsinstitut seit 1995 aufgrund einer Reihe befristeter Arbeitsverträge als studentische Hilfskraft beschäftigt. Es steht inzwischen rechtskräftig fest, dass die Befristung des letzten, für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. März 2003 geschlossenen Arbeitsvertrags unwirksam war und demzufolge ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Der Kläger, der bis 31. März 2003 in der Forschungsgruppe „Informations- und Kommunikationstechnologien“, Projekt „Konjunkturumfrage“, beschäftigt war, ließ sich zum 31. März 2003 exmatrikulieren. Darauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. August 2003.
Die Vorinstanzen haben die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die Kündigung ist aus einem in der Person des Klägers liegenden Grund gerechtfertigt. Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse, für die Ausübung der Tätigkeiten an die Studierendeneigenschaft des Klägers anzuknüpfen. Dieser vertraglich vereinbarten Anforderung wurde der Kläger nicht mehr gerecht.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 18. September 2008 – 2 AZR 976/06 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – Urteil vom 13. Juli 2006 – 19 Sa 66/05 –
Quelle: Pressemitteilung Nr. 74/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de
Kategorie Arbeitsrecht
22. September 2008
Macht eine Gemeinde von der Möglichkeit Gebrauch, das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft einer ehrenamtlichen Kraft zu übertragen, so besteht für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der bisher hauptberuflich im Arbeitsverhältnis beschäftigten Gleichstellungsbeauftragten ein dringendes betriebliches Erfordernis.
Die Klägerin war seit 1999 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden bei der beklagten Gemeinde als Gleichstellungsbeauftragte angestellt. Gemäß § 5a der Niedersächsischen Gemeindeordnung ist die Beklagte verpflichtet, eine Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. Die Aufgabe kann nach dem Gesetz auch ehrenamtlich erfüllt werden. Nach einem Anfang 2006 gefassten Ratsbeschluss sollte das Amt der Gleichstellungsbeauftragten in Zukunft nicht mehr hauptberuflich, sondern ehrenamtlich wahrgenommen werden. Mit Zustimmung des Personalrats kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 2006.
Die von der Klägerin erhobene Klage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht – wie schon in den Vorinstanzen – ohne Erfolg. Die Beklagte ist berechtigt, die Tätigkeit der Gleichstellungsbeauftragten ehrenamtlich erledigen zu lassen. Sie durfte unter den rechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten die ihr am zweckmäßigsten erscheinende auswählen. Anhaltspunkte für einen Missbrauch dieses Rechts liegen nicht vor.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. September 2008 – 2 AZR 560/07 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 14. Mai 2007 – 8 Sa 1941/06 –
Quelle: Pressemitteilung Nr. 73/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de
Kategorie Arbeitsrecht
22. September 2008
Die meisten Versorgungszusagen sehen die Zahlung der vollen Betriebsrente nur für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer mit Erreichen der dort bestimmten festen Altersgrenze (Versorgungsfall) ausscheidet. Scheidet der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus, gilt hinsichtlich der Höhe der Betriebsrente § 2 BetrAVG. Auf den Grund des Ausscheidens kommt es nicht an. Nach Abs. 1 BetrAVG ist die bei Betriebstreue bis zur festen Altersgrenze erreichbare Betriebsrente im Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur bis zur festen Altersgrenze möglichen Betriebszugehörigkeit zu kürzen. Das gilt auch im Falle einer Kappung der Rentenhöhe, also wenn die Versorgungsordnung für jedes Jahr der Beschäftigung einen festen Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz des letzten Gehalts vorsieht, dies aber in der Höhe begrenzt.
Die Klage eines Versorgungsberechtigten hatte deshalb auch vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Im Streitfall sah die Versorgungsordnung vor, dass die monatliche Altersrente für jedes Dienstjahr 0,8 %, höchstens aber 20 % des letzten Arbeitsentgelts beträgt. Der Kläger war nach über 25jähriger Beschäftigungszeit mit etwa 59 Jahren ausgeschieden. Er war – wie zahlreiche Arbeitnehmer bei vergleichbarer Situation – der Ansicht, dass ihm trotz vorzeitigen Ausscheidens die Höchstrente zusteht. Das ergibt sich aber weder aus der Versorgungsordnung noch aus § 2 BetrAVG.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. September 2008 – 3 AZR 1061/06 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 10. November 2006- 10 Sa 544/06 B -
Quelle: Pressemitteilung Nr. 71/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de
Kategorie Arbeitsrecht
22. September 2008
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer haben nach § 9 TzBfG einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit auf einem „entsprechenden“ freien Arbeitsplatz, wenn sich keine besser geeigneten Konkurrenten bewerben. Um einen „entsprechenden“ Arbeitsplatz handelt es sich regelmäßig nur dann, wenn die zu besetzende Stelle dieselben Anforderungen an die Eignung des Arbeitnehmers stellt wie die bisher ausgeübte Tätigkeit. Ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit in einer höherwertigen Funktion besteht lediglich im Ausnahmefall.
Die Klägerin arbeitete seit 1986 überwiegend als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit von 37,5 Wochenstunden in den Drogeriemärkten des Beklagten. In dieser Funktion war sie Vorgesetzte der dort beschäftigten Verkäuferinnen. Der Beklagte setzte Verkaufsstellenverwalterinnen nur in Vollzeit oder in Teilzeit von mindestens 30 Wochenstunden ein. Verkäuferinnen beschäftigte er ausschließlich in Teilzeit. Die Klägerin verlangte im Herbst 2004, ihre Arbeitszeit wegen eines Pflegefalls auf 20 Wochenstunden zu verringern. Um in Teilzeit arbeiten zu können, erklärte sie sich bereit, als Verkäuferin eingesetzt zu werden. Seit Herbst 2005 verlangte die Klägerin eine verlängerte Arbeitszeit. Sie bewarb sich ua. um die Stelle einer Verkaufsstellenverwalterin mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Der Beklagte besetzte die Stelle ab Januar 2006 mit einer anderen Arbeitnehmerin. Die Klägerin wird seit Dezember 2006 wieder als Verkaufsstellenverwalterin in Vollzeit beschäftigt.
Der Neunte Senat hat der auf den Verdienstausfall für Januar bis November 2006 gerichteten Schadensersatzklage ebenso wie die Vorinstanzen stattgegeben. Die Klägerin hatte Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitszeit in der höherwertigen Funktion einer Verkaufsstellenverwalterin. Die Personalorganisation des Beklagten sah Teilzeitarbeit von 20 Wochenstunden für Verkaufsstellenverwalterinnen nur bei einem Wechsel in die Position einer Verkäuferin vor. Damit erweiterte der Beklagte den Begriff des „entsprechenden Arbeitsplatzes“. Er war an seine Vorgabe gebunden. Die beiden Hierarchieebenen wurden für die Klägerin durchlässig.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. September 2008 - 9 AZR 781/07 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 12. September 2007 - 18 Sa 231/07 -
Quelle: Pressemitteilung Nr. 70/08 auf www.bundesarbeitsgericht.de
Kategorie Arbeitsrecht
17. September 2008
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 04.09.2008 in zwei Revisionsurteilen entschieden, dass Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden und Darlehen bei der Bewilligung von Ausbildungsförderung grundsätzlich anerkennungsfähig sind. Sie sind aber nur dann vermögensmindernd zu berücksichtigen, wenn sie zivilrechtlich wirksam zustande gekommen sind und dies auch nachgewiesen ist. An den Nachweis ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) kann eigenes Vermögen des Auszubildenden, das die gesetzlichen Freibeträge übersteigt, den monatlichen Bedarf an staatlicher Ausbildungsförderung mindern oder ganz ausschließen. Bestehende Schulden und Lasten sind vom anrechenbaren Vermögen grundsätzlich abzuziehen (§ 28 Abs. 3 BAföG). In dem ersten Verfahren wurde vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg um ein Treuhandverhältnis gestritten. Der Kläger, ein Medizinstudent, hatte im Förderungsantrag nicht angegeben, dass er seit 1999 Inhaber eines Depots mit Schatzbriefen im Wert von 12 000 € war. Gegen die Berücksichtigung als sein Vermögen machte er geltend, dass die Schatzbriefe seiner Mutter gehörten und ihm von ihr lediglich aus steuerlichen Gründen treuhänderisch übertragen worden seien. Das beklagte Studentenwerk hat dies nicht gelten lassen und bereits gewährte Ausbildungsförderung zurückgefordert. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht ein Treuhandverhältnis angenommen und zugunsten des Studenten entschieden. In dem zweiten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart berief sich der klagende Student darauf, seine Mutter habe ihm mehrere tausend Euro als Darlehen gewährt. Dies müsse von seinem Vermögen als Schuld abgezogen werden. Das Verwaltungsgericht ist zwar vom Bestehen einer Darlehensschuld ausgegangen. Es hat diese aber nicht als vermögensmindernd anerkannt, weil der Kläger in dem streitigen Bewilligungszeitraum nicht mit ihrer Geltendmachung habe rechnen müssen.
In beiden Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile aufgehoben. Es hat entschieden, dass für die Abzugsfähigkeit von Verbindlichkeiten aus Treuhandabreden und Darlehen auf die zivilrechtlichen Grundsätze über deren wirksames Bestehen abzustellen ist. Ob überhaupt eine zivilrechtliche Verbindlichkeit vorliegt, ist von der Verwaltung und den Tatsachengerichten sorgsam zu prüfen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Gefahr des Missbrauchs bei solchen Abreden unter nahen Verwandten. Das Verschweigen eines Treuhand- oder Darlehensvertrages im Antragsformular kann hierfür ein Anhaltspunkt sein. Es steht aber der Annahme eines wirksamen Vertrages und damit zugleich der ausbildungsförderungsrechtlichen Abzugsfähigkeit nicht zwingend entgegen. Die Abzugsfähigkeit hängt auch nicht davon ab, ob mit der Geltendmachung der Verbindlichkeit bereits im Bewilligungszeitraum ernsthaft gerechnet werden muss.
Diesen jetzt klarstellenden Anforderungen entsprechen die angegriffenen Entscheidungen nicht in vollem Umfang. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb beide Verfahren zurückverwiesen.
BVerwG 5 C 30.07 und BVerwG 5 C 12.08 – Urteile vom 4. September 2008
Quelle: Pressemitteilung Nr. 55/08 vom 04.09.2008 auf www.bundesverwaltungsgericht.de
Kategorie Allgemein
16. September 2008
Die Klägerin, ein Theaterverlag, begehrt die Feststellung, dass sie berechtigt sei, Theatern und anderen Werknutzern urheberrechtliche Nutzungsrechte an der Originalfassung des Theaterstücks “Ehrensache” von Lutz Hübner einzuräumen.
Als Vorlage dieses im Jahr 2005 verfassten Bühnenstücks dienten die Ereignisse um die Tötung der damals 14-jährigen Tochter der Beklagten (sog. “Hagener Mädchenmord-Fall”). In dem Stück werden episodenhaft der Ablauf des Tages bis zur Tat und Ereignisse aus dem Leben der getöteten Ellena erzählt, deren Figur an die Tochter der Beklagten angelehnt ist. Die Mutter des Mädchens sieht darin eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ihrer Tochter. Sie beanstandet, dass die wesentlichen Handlungsstränge des Theaterstücks sich gewollt am realen Geschehen orientierten; ihre Tochter sei in der Figur der Ellena wieder zu erkennen. Durch die Darstellung werde ungeachtet der Veränderung des Namens und einiger Details das Lebensbild der Tochter entstellt und deren Wert und Achtungsanspruch verletzt. Die Darstellung beschränke sich darauf, die frühreife und starke sexuelle Ausrichtung der Verstorbenen sowie ihre charakterliche und moralische Haltlosigkeit zu betonen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Inszenierung, Aufführung und Veröffentlichung des Bühnenwerks Persönlichkeitsrechte der Beklagten und ihrer verstorbenen Tochter nicht entgegenstünden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Nach Erlass des Berufungsurteils hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde der jetzigen Beklagten, die in einem Parallelverfahren gegen ein Theater unterlegen war (Urteil des LG Essen vom 6. Oktober 2006 – 19 O 215/06, nachfolgend: Beschluss des OLG Hamm vom 16. Mai 2007 – 3 U 258/06), nicht zur Entscheidung angenommen und entschieden, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht ihrer Tochter durch das Theaterstück “Ehrensache” nicht verletzt werde (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1533/07).
Der u. a. für Fragen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat hat die Zulässigkeit der von dem Theaterverlag erhobenen Feststellungsklage im konkreten Fall bejaht und der Klage in der Sache im Wesentlichen aus den vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Erwägungen stattgegeben. Bei dem Theaterstück “Ehrensache” handelt sich um ein literarisches Werk mit Wirklichkeitsbezug unter Vermengung tatsächlicher und fiktiver Schilderungen, die das Persönlichkeitsrecht der Beklagten nicht beeinträchtigen. Bei der gebotenen kunstspezifischen Betrachtung ist auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Tochter der Beklagten zu verneinen BGH, Versäumnisurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07).
Quelle: Pressemitteilung Nr. 174/08 vom 16.09.2008 auf www.bundesgerichtshof.de
Kategorie Gewerblicher Rechtsschutz