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Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer

14. März 2013

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verpflichtet den Verleiher, dem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichbehandlung erlaubt das AÜG ein Abweichen durch Tarifvertrag, wobei nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbaren können. Tarifverträge, die für Leiharbeitnehmer ein geringeres Arbeitsentgelt vorsehen, als es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten, hat ua. die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) mit Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche geschlossen. Nachdem der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. Dezember 2010 (- 1 ABR 19/10 -, vgl. Pressemitteilung Nr. 93/10) festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist, haben bundesweit zahlreiche Leiharbeitnehmer auf Nachzahlung der Differenz zwischen der von ihren Arbeitgebern gewährten Vergütung und der eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers geklagt. In fünf dieser Verfahren hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts heute über die Revisionen verhandelt und entschieden. Dabei ist er von folgenden Grundsätzen ausgegangen:

Die CGZP konnte keine wirksamen Tarifverträge schließen. Leiharbeitnehmer, in deren Arbeitsverträgen auf die von der CGZP abgeschlossenen „Tarifverträge“ Bezug genommen ist, haben nach § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten hat.

Etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist nicht geschützt.

Soweit in neueren Arbeitsverträgen neben oder anstelle einer Verweisung auf CGZP-Tarifverträge auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom 15. März 2010 Bezug genommen wird, ist eine solche Klausel intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sich nicht ersehen lässt, welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll.

Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG wird zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt fällig. Er unterliegt wirksam vereinbarten Ausschlussfristen. Insbesondere darf die Verfallfrist drei Monate nicht unterschreiten. Zur Verhinderung des Verfalls genügt eine Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs dem Grunde nach.

Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Dafür reicht die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von den Tatsachen. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tariffähigkeit der CGZP kommt es nicht an.

Der Entgeltanspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen. Zu seiner Berechnung ist ein Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei bleibt Aufwendungsersatz außer Betracht, es sei denn, es handelt sich um “verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt.

Der Fünfte Senat hat in den Verfahren

- 5 AZR 954/11 – unter Aufhebung des Berufungsurteils die Klage
wegen Verfalls der Ansprüche abgewiesen,

- 5 AZR 146/12 – wegen unsubstantiierter Darlegung der Zahlungs-
ansprüche die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen
bestätigt,

- 5 AZR 242/12 – unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache
an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit die Gesamt-
berechnung der Zahlungsansprüche nachgeholt werden kann,

- 5 AZR 294/12 – die Revision der Beklagten zurückgewiesen und
auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil teilweise aufge-
hoben und die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen, damit die genaue Höhe des steuerpflichtigen
Bruttoentgelts eines vergleichbaren Arbeitnehmers festgestellt wird,

- 5 AZR 424/12 – die Revision gegen das die Klage wegen
Verjährung der Ansprüche abweisende Berufungsurteil
zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht,
Urteile vom 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 -, – 5 AZR 146/12 -,
- 5 AZR 242/12 -, – 5 AZR 294/12 – und – 5 AZR 424/12 -

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 20. September 2011 – 7 Sa 1318/11 -

Sächsisches Landesarbeitsgericht,
Urteil vom 23. August 2011 – 1 Sa 322/11 -

Landesarbeitsgericht Düsseldorf,
Urteil vom 8. Dezember 2011
- 11 Sa 852/11 -

Landesarbeitsgericht Hamm,
Urteil vom 25. Januar 2012 – 3 Sa 1544/11 -

Landesarbeitsgericht Hamm,
Urteil vom 21. März 2012 – 3 Sa 1526/11 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 17/13 vom 13.03.2013 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Schwerbehinderung – Benachteiligung im Bewerbungsverfahren

22. Februar 2013

Ein Beschäftigter, der eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beansprucht, weil er sich wegen eines durch das AGG geschützten Merkmals benachteiligt sieht, muss Indizien dafür vortragen, dass seine weniger günstige Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt oder dies zumindest zu vermuten ist.

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin. Diese ist schwerbehindert und wurde bei einer Bewerbung nicht berücksichtigt. Sie war seit 1996 als Büro- und Schreibkraft im Bundespräsidialamt tätig. Nach längerer Erkrankung wurde im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Dezember 2009 festgelegt, dass sie nach Möglichkeit die Beschäftigungsdienststelle wechseln solle. Das Bundespräsidialamt wandte sich daraufhin auch an den Deutschen Bundestag, ob diese – nicht namentlich bezeichnete – Beschäftigte dort eingesetzt werden könne. Im Juni 2010 schrieb der Deutsche Bundestag eine Stelle als Zweitsekretärin/Zweitsekretär für das Büro der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages aus. Auf diese Stelle bewarb sich die Klägerin, die über die verlangte berufliche Ausbildung verfügt, unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung. Am 20. August 2010 fand ein Vorstellungsgespräch mit der Klägerin statt, an dem vonseiten des Deutschen Bundestages über zehn Personen teilnahmen, ua. die Vertrauensfrau der Schwerbehinderten. Ohne Angabe von Gründen wurde der Klägerin am 1. September 2010 eine Absage erteilt. Nach der Ankündigung, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, teilte der Deutsche Bundestag am 10. Dezember 2010 mit, dass die Ablehnung der Klägerin in keinem Zusammenhang mit der Schwerbehinderung gestanden habe. Vielmehr habe sie im Rahmen des Vorstellungsgesprächs keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen.

Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Entschädigungsklage auch vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Klägerin hat keine Indizien vorgetragen, die die Vermutung zulassen, ihre Bewerbung sei wegen ihrer Schwerbehinderung erfolglos geblieben. Zwar hat die Beklagte die Gründe für die Ablehnung der Klägerin zunächst nicht dargelegt. Dazu wäre sie jedoch nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX nur verpflichtet gewesen, wenn sie der Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nicht hinreichend nach § 71 SGB IX nachgekommen wäre. Das hat die Klägerin nicht dargelegt. Auch die weiteren, von der Klägerin angeführten Tatsachen stellen keine Indizien dafür dar, dass sie wegen ihrer Behinderung bei der Bewerbung unterlegen ist. Auch der Ablauf des Vorstellungsgespräches lässt diesen Schluss nicht zu.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Februar 2013 – 8 AZR 180/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 3 Sa 1505/11

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 13/13 vom 21.02.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

22. Februar 2013

Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG kann der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin beim Arbeitgeber während der Elternzeit eine Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung beantragen. Über den Antrag sollen sich die Arbeitsvertragsparteien innerhalb von vier Wochen einigen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG). Nach § 15 Abs. 6 BEEG kann der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung der Arbeitszeit beanspruchen, soweit eine einvernehmliche Regelung nicht möglich ist.
Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten in Vollzeit beschäftigt. Sie brachte am 5. Juni 2008 ein Kind zur Welt und nahm zunächst für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4. Juni 2010 Elternzeit in Anspruch. Am 3. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2009 auf wöchentlich 15 Stunden und für die Zeit vom 1. Juni 2009 bis zum Ende der Elternzeit am 4. Juni 2010 auf wöchentlich 20 Stunden. Mit Schreiben vom 7. April 2010 nahm die Klägerin ab dem 5. Juni 2010 bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes erneut Elternzeit in Anspruch und beantragte gleichzeitig, wie bisher 20 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Die Beklagte lehnte dies ab.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, das Angebot der Klägerin auf entsprechende Vertragsänderung anzunehmen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Vereinbarung der Parteien vom 3. Dezember 2008 nicht entgegen. Einvernehmliche Elternteilzeitregelungen sind nicht auf den Anspruch auf zweimalige Verringerung der Arbeitszeit anzurechnen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2013 – 9 AZR 461/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Mai 2011 – 5 Sa 93/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 12/13 vom 19.02.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Wartezeitregelung in einer Versorgungsordnung

22. Februar 2013

Eine Bestimmung in einer vom Arbeitgeber geschaffenen Versorgungsordnung, wonach ein Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nur dann besteht, wenn der Arbeitnehmer eine mindestens 15jährige Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen kann, ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Die im Februar 1942 geborene Klägerin war vom 15. Juli 1997 bis zum 29. Februar 2008 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Die Beklagte gründete im Jahr 1999 eine Unterstützungskasse und gab im Dezember 1999 gegenüber den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern formlos bekannt, künftig werde eine Betriebsrente gewährt. Voraussetzung für die Erteilung von Versorgungszusagen sei der Bestand eines Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1999 und die Möglichkeit einer mindestens 15jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Gegenüber der Klägerin und einem Kollegen äußerte der Geschäftsführer der Beklagten, sie erhielten keine Betriebsrente, weil sie zu alt seien.

Die auf Gewährung einer Betriebsrente gerichtete Klage hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts, wie schon in den Vorinstanzen, keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren. Die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung einer mindestens 15jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters unwirksam. Es kann dahinstehen, ob eine solche Regelung die betroffenen Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt, weil sie ab einem bestimmten Lebensalter von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden, oder ob lediglich eine mittelbare Diskriminierung denkbar ist. Selbst eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters wäre nach § 10 AGG gerechtfertigt. Eine Regelung, nach der ein Versorgungsanspruch von der Erfüllbarkeit einer 15jährigen Wartezeit vor Erreichen der Regelaltersgrenze abhängt, bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Bundesarbeitsgericht,
Urteil vom 12. Februar 2013 – 3 AZR 100/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 11. November 2010 – 14 Sa 1328/10 -

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 10/13 vom 12.02.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Nachbesserungsverlangen beim Kauf eines Neuwagens

7. Februar 2013

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob sich der Käufer eines Neuwagens noch auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen kann, wenn er die Abnahme des an Lackierung und Karosserie beschädigten Fahrzeugs nicht generell abgelehnt, sondern zunächst eine Beseitigung der Schäden verlangt hat und diese anschließend nur unzureichend gelungen ist.

Der Kläger bestellte im November 2009 bei der Beklagten, einer BMW-Vertragshändlerin, zum Preis von 39.000 € einen BMW 320d als Neuwagen. Im Dezember 2009 verweigerte er die Annahme des Fahrzeugs wegen Schäden an der Lackierung und der Karosserie und verlangte unter Fristsetzung Nachbesserung. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten, das die daraufhin vorgenommene Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtet hatte, lehnte er Mitte Januar 2010 eine Übernahme des Fahrzeugs erneut ab und trat vom Vertrag zurück, nachdem die Beklagte sich darauf berufen hatte, dass das Fahrzeugs nunmehr mängelfrei sei.

Der Kläger hat die Beklagte auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 10.000 €, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz von Sachverständigenkosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger sich angesichts seines Nachbesserungsverlangens nicht mehr auf die fehlende Fabrikneuheit des Fahrzeugs berufen könne und die verbliebenen Mängel, auch wenn zu deren Beseitigung Kosten von bis zu sieben Prozent des Kaufpreises anfallen könnten, lediglich optischer Natur und kaum wahrnehmbar seien.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Käufer eines Neuwagens grundsätzlich erwarten kann, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht. Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs. Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist dabei auch nicht durch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ausgeschlossen. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Klärung neu aufgetretener Umstände, die aus prozessualen Gründen im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden konnten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

*323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(5) … Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

Urteil vom 6. Februar 2013 – VIII ZR 374/11

LG Bochum – Urteil vom 23. Februar 2011 – 6 O 151/10

OLG Hamm – Urteil vom 10. November 2011 – I-2 U 68/11

Karlsruhe, den 6. Februar 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr.23/2013 vom 06.02.2013

Kündigungsschutz: Leiharbeitnehmer und Größe des Betriebs

4. Februar 2013

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 6/13 vom 30.01.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Eingruppierung einer „Laborspülkraft“ – Begriff der Unterhaltsreinigung

4. Februar 2013

Eine als „Laborspülkraft“ beschäftigte Arbeitnehmerin, die in einem Labor benutzte Glasgeräte mehrfach am Tag einzusammeln, mit einer Industriespülmaschine zu reinigen und diese Arbeitsmittel im gereinigten Zustand an die Arbeitsplätze zurück zu stellen hat, kann eine Vergütung nach der Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk (RTV) beanspruchen. Bei der Tätigkeit handelt es sich um Unterhaltsreinigungsarbeiten.

Die Klägerin ist bei der Beklagten mit einem arbeitsvertraglich vereinbarten Stundenlohn von 7,30 Euro brutto beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk. Die Klägerin arbeitet für die Beklagte in einem Forschungslabor eines Chemieunternehmens. Ihre Tätigkeit besteht darin, die von den Beschäftigten des Labors benutzten Reagenzgläser sowie Zylinder und Kolben aus Glas viermal pro Arbeitstag einzusammeln, in einer von ihr zu bedienenden Industriespülmaschine zu reinigen und die gesäuberten Gegenstände wieder auszuräumen. Einige der Glasgegenstände werden von der Klägerin auch mit Ethanol gereinigt. Am nächsten Tag werden die Gläser von ihr wieder in die Labore gebracht. Die Klägerin verlangt von der beklagten Arbeitgeberin ein tarifliches Entgelt und meint, ihre Tätigkeit sei nach der Lohngruppe 1 RTV – „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ – zu vergüten.

Die Revision der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Landesarbeitsgerichts blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Der tarifliche Begriff der Unterhaltsreinigung erfasst auch die von der Klägerin zu verrichtenden Tätigkeiten. Die von ihr zu reinigenden Objekte gehören zu der bestimmungsgemäßen Ausstattung der Labore. Die Reinigung der Arbeitsmittel ermöglicht deren ordnungsgemäße weitere Verwendung und stellt sich für das Labor als Unterhaltsmaßnahme dar. Ein unmittelbarer Bezug der Tätigkeit zur Reinigung eines Raumes als solchem, dort fest installierter oder nicht ohne Weiteres zu entfernender „Einrichtungsgegenstände“ ist zur Erfüllung dieser tariflichen Voraussetzung nicht erforderlich.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. Januar 2013 – 4 AZR 272/11 -
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Februar 2011 – 9 Sa 501/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 7/13 vom 30.01.2013 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Urteil gegen Fußball-Profi wegen schwerer Brandstiftung rechtskräftig

30. Januar 2013

Das Landgericht München I hat den Angeklagten, einen Fußball-Profi, wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Dieser bewohnte nach den landgerichtlichen Feststellungen mit seiner Ehefrau und drei Kindern ein gemietetes Einfamilienhaus in München-Grünwald. In der Nacht auf den 20. September 2011 entzündete der Angeklagte kurz nach Mitternacht – möglicherweise unter Einsatz eines Brandbeschleunigers – Einrichtungsgegenstände in mehreren Räumen des Haupthauses und der Einliegerwohnung. Der Brand breitete sich aus und griff nahezu auf das gesamte Gebäude über. Der durch das Brandgeschehen verursachte Sachschaden am Gebäude, das wegen der nicht mehr sanierungsfähigen Schäden abgerissen werden musste, belief sich auf ca. 900.000 €.

Der Angeklagte war bei der Begehung der Tat erheblich alkoholisiert. Deshalb und infolge seiner durch langwierige Verletzungen und Unstimmigkeiten in der Familie bedingten schwierigen persönlichen Situation befand er sich nicht ausschließbar in einem Zustand der verminderten Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB).

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wurde, als unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Beschluss vom 23. Januar 2013 – 1 StR 596/12

Landgericht München I – Urteil vom 4. Juli 2012 – 12 KLs 264 Js 193150/11

Karlsruhe, den 30. Januar 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 17/13

Kündigungsschutz: Leiharbeitnehmer und Größe des Betriebs

25. Januar 2013

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 -
Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 6/13 vom 24.01.2013 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers

25. Januar 2013

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist.
Die Beklagte – eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin – hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es ua. heißt: „Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“
Der damals 36jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 24. Januar 2013 – 8 AZR 429/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2011 – 9 Sa 1771/10

Pressemitteilung Nr. 5/13 des Bundesarbeitsgerichtes vom 24.01.2013 unter www.bundesarbeitsgericht.de