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Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes – Kleinbetriebsklausel

5. November 2010

Nach § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz. Die darin liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Sie ist sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind. Auch wenn ein Unternehmer mehrere Kleinbetriebe unterhält, werden die Zahlen der dort Beschäftigten nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbständigte Einheiten und deshalb um selbständige Betriebe handelt. Es ist aber sicherzustellen, dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.) nicht zutreffen. Das wiederum ist nicht stets schon dann der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines dieser typischen Merkmale fehlt. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

Die Beklagte beschäftigte an ihrem Sitz in Leipzig mindestens acht, an ihrem Standort Hamburg sechs Arbeitnehmer. Im Januar 2006 setzte sie in Hamburg einen vor Ort mitarbeitenden Betriebsleiter ein, den sie – wie sie behauptet hat – bevollmächtigte, dort Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Der Kläger war in der Betriebsstätte Hamburg seit 1990 als Hausmeister und Haustechniker tätig. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer wurde im Jahr 2003 eingestellt, ist deutlich jünger als der Kläger und – anders als dieser – keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Im März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe. Die Vorinstanzen haben der Klage wegen unzureichender Sozialauswahl stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Kündigungsschutzgesetz für anwendbar gehalten, weil die Kapitalausstattung der Beklagten nicht gering gewesen sei und ihr Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe.

Die Revision der Beklagten war vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist es im Streitfall nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, beide Betriebstätten auch dann als einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie organisatorisch selbständig sind. Ob dies zutrifft, bedarf weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 17. Januar 2008 – 7 Sa 41/07 -

Pressemitteilung Nr. 83/10 vom 28.10.2010 unter www.bundesarbeitsgericht.de

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Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln der Wohnung setzt vorherige Mangelanzeige voraus

3. November 2010

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der Mieter wegen eines Mangels der Wohnung, von dem der Vermieter keine Kenntnis hat, ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen kann, die fällig werden, nachdem der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin-Zehlendorf. Sie zahlten für die Monate April, Juni und Juli 2007 keine und für Mai 2007 lediglich einen Teil der Miete. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 erklärte der Kläger die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung mit Schreiben vom 14. Juni 2007 unter Hinweis auf einen Schimmelpilzbefall in mehreren Zimmern.

Der Kläger hat mit seiner Klage unter anderem Räumung und Herausgabe der Wohnung begehrt. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben. Das Landgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen; es hat gemeint, die Mieter seien mit der Zahlung der Miete nicht in Verzug geraten, weil ihnen ungeachtet der unterbliebenen Anzeige des Schimmelbefalls ein Anspruch auf Beseitigung dieses Mangels zugestanden habe und sie sich auf ein daraus ergebendes Zurückbehaltungsrecht betreffend die Zahlung der Miete berufen könnten.

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten an Mietzahlungen, die sie für einen Zeitraum vor der Anzeige des – dem Vermieter zuvor nicht bekannten – Schimmelpilzbefalls der Wohnung schulden, nicht in Betracht kommt. Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB* dient dazu, auf den Schuldner (hier: den Vermieter) Druck zur Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit auszuüben. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann das Zurückbehaltungsrecht die ihm zukommende Funktion, den Vermieter zur Mangelbeseitigung zu veranlassen, nicht erfüllen. Ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters besteht daher erst an den nach der Anzeige des Mangels fällig werdenden Mieten.

*§ 320 BGB: Einrede des nichterfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. (…)

Urteil vom 3. November 2010 – VIII ZR 330/09

AG Schöneberg – Urteil vom 5. Dezember 2007 – 12 C 368/07

LG Berlin – Urteil vom 6. November 2009 – 63 S 17/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 209/2010 vom 03.11.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Außerordentliche Änderungskündigung

2. November 2010

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist die außerordentliche Änderungskündigung der Leiterin einer kommunalen Kindertagesstätte mangels ausreichend dargelegter Kündigungsgründe in der Person der Mitarbeiterin unwirksam.

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Auseinandersetzung um die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin einer kommunalen Kindertagesstätte. Sie hatte zunächst 10 Jahre lang kommissarisch und danach aufgrund entsprechender Bestellung eine von drei Kindertagesstätten einer Kommune geleitet und im Jahr 2006 ein Zwischenzeugnis erhalten, welches ihr ein sehr gutes Leistungs- und Führungsverhalten bescheinigt. Ab dem Jahr 2007 kam es erstmals zu Problemen zwischen der Kindertagesstättenleiterin und ihren Vorgesetzten bzw. ihren Mitarbeiterinnen in der Kindertagesstätte. Die aufgetretenen Schwierigkeiten veranlassten den Arbeitgeber im Jahr 2008 eine Mediation durchführen zu lassen. Allerdings setzten sich die Probleme im Umgang der Vorgesetzten, Mitarbeiterinnen und Eltern mit der Leiterin der Kindertagesstätte auch nach Abschluss des Mediationsverfahrens fort. Daraufhin sprach der Arbeitgeber im Jahr 2009 der ordentlich unkündbaren Mitarbeiterin gegenüber eine außerordentliche Änderungskündigung aus und bot ihr gleichzeitig an, nach Ablauf der sozialen Auslauffrist als Erzieherin in einer anderen kommunalen Kindertagesstätte weiterzuarbeiten. Die Leiterin der Kindertagesstätte nahm diese Änderungskündigung unter Vorbehalt an und erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht. Sie vertrat die Auffassung, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt. Die aufgetretenen Probleme seien nicht von ihr zu verantworten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung des Arbeitgebers hatte keinen Erfolg. Auch das hessische Landesarbeitsgericht sah in der Person der Leiterin keine ausreichenden Gründe für die ausgesprochene Änderungskündigung als gegeben.

Der Kern der vom Arbeitgeber aufgezeigten Vorwürfe liege im Verhalten der Arbeitnehmerin. Diese Umstände könnten jedoch mangels vorheriger Abmahnung der Kindertagesstättenleiterin nicht zur Begründung der personenbedingten Änderungskündigung herangezogen werden.

Eine Umstellung der Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe scheitere im Übrigen auch an dem Umstand, dass der Arbeitgeber den Personalrat nur zu einer personenbedingten Kündigung angehört hatte.

Gegen seine Entscheidungen hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.
Hess. LAG, Urteil vom 29. Oktober 2010 – 19 Sa 275/10
Vorinstanz: Arbeitsgericht Wiesbaden vom 3. Dezember 2009 – 9 Ca 1162/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 9/10 vom 29.10.2010 auf www.lag-frankfurt.justiz.hessen.de

Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Amateurfußballspiele

29. Oktober 2010

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Fußballverband es hinnehmen muss, wenn kurze Filmausschnitte von Amateurfußballspielen seiner Mitglieder im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden.

Die Beklagte betreibt unter der Internet-Adresse “www.hartplatzhelden.de” ein durch Werbeeinnahmen finanziertes Internetportal, in das Besucher von Amateurfußballspielen selbst aufgenommene Filme einstellen können, die einzelne Szenen des Spielgeschehens von ein- bis eineinhalbminütiger Dauer wiedergeben. Die Filmausschnitte können von anderen Internetnutzern kostenlos aufgerufen und angesehen werden.

Der Kläger, der Württembergische Fußballverband e.V., ist der Ansicht, dass ihm als Veranstalter der Spiele in seinem Verbandsgebiet das ausschließliche Recht zu deren gewerblicher Verwertung zusteht. Er hat daher von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Leistungsübernahme, der wettbewerbswidrigen Behinderung sowie des Eingriffs in sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Unterlassung verlangt.

Die Klage hatte vor dem Landgericht Stuttgart Erfolg. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Der Bundesgerichtshof hat ein ausschließliches Verwertungsrecht des klagenden Verbandes verneint und die Klage dementsprechend abgewiesen. Maßgeblich dafür war, dass die Veröffentlichung der Filmausschnitte entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts keine nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG* unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsergebnisses darstellt. Die vom Kläger erbrachte Leistung der Organisation und Durchführung der Fußballspiele bedarf im Übrigen nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keines solchen Schutzes. Der Kläger kann sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden. Unter diesen Umständen hat der BGH ein besonderes Ausschließlichkeitsrecht von Sportverbänden auch unter den weiteren vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkten verneint.

Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 60/09 – Hartplatzhelden
OLG Stuttgart – Urteil vom 19. März 2009 – 2 U 47/08
(CR 2009, 386 = MMR 2009, 395)
LG Stuttgart – Urteil vom 8. Mai 2008 – 41 O 3/08 KfH
(CR 2008, 528 = MMR 2008, 551)
Karlsruhe, den 28. Oktober 2010

*§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG lautet:

Unlauter handelt insbesondere, wer

Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

b)die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt …

Quelle: Pressemitteilung Nr. 206/2010 vom 28.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Kündigung wegen drei Schrauben gescheitert

28. Oktober 2010

Vor dem Arbeitsgericht Bonn ist eine Kündigung eines Betriebsrats-vorsitzenden gescheitert, der drei Schrauben seines Arbeitgebers an einen früheren Kollegen verschenkt hatte.
Der 50 jährige Betriebsratsvorsitzende ist bereits seit mehr als 30 Jahren bei seinem Arbeitgeber tätig, der jetzt das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen wollte. Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nur möglich mit Zustimmung des Betriebsrats, der hier die Zustimmung verweigerte. Daher zog der Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht.
Es geht um drei Schrauben im Wert von 28 Cent. Ob sie ihm diese drei Schrauben besorgen könnten, hatte ein früherer Arbeitskollege einige Mitarbeiter in deren Pause während der Spätschicht gefragt. Der erste Versuch scheiterte. Einer der Mitarbeiter weigerte sich, die Zeiten hätten sich geändert, heute riskiere man hierfür seinen Arbeitsplatz. Später kam der Betriebsratsvorsitzenden hinzu. Er half seinem alten Arbeitskollegen. Er ging zur Materialausgabe, gab dort an, die drei Schrauben für eine bestimmte Maschine zu brauchen und verschenkte die Schrauben an seinen Ex-Kollegen.
Raus kam der Vorfall durch einen anonymen Brief an den Arbeitgeber. Der reagierte sofort und forderte vom Betriebsrat die Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Der verweigerte die Zustimmung. Auf Antrag des Arbeitgebers sollte das Arbeitsgericht die Zustimmung jetzt durch Gerichtsentscheidung ersetzen.
Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn wies den Antrag des Arbeit-gebers zurück.

In der Verhandlung betonte die Kammer zwar ausdrücklich, dass auch ein Betrug über drei Schrauben im Wert von 28 Cent zulasten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen könne. Aber es komme immer auf den konkreten Fall an. Hier habe vor allem die lange Betriebszugehörigkeit des Betriebsratsvorsitzenden eine große Bedeutung.
Positiv bewertete das Gericht außerdem, dass der ertappte Betriebsrats-vorsitzende nicht geleugnet, sondern sein Vorgehen sofort bedauert hatte.
Nach Darstellung eines Sprechers des Gerichts folgt die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hatte in seiner aktuellen „Emmely-Entscheidung“ erst im Sommer seine langjährige Rechtsprechung bestätigt, dass Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug durch Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber auch dann zur außerordentlichen Kündigung führen können, wenn nur geringfügige Werte betroffen seien. Das Bundesarbeits-gericht habe aber auch entschieden dass „eine über lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer „nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört“ werde.
Ohne die Zustimmung des Betriebsrats kann der Arbeitgeber nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn nicht kündigen. Er kann aber Beschwerde vor dem Landesarbeitsgericht Köln einlegen, das die Bonner Entscheidung dann überprüfen muss.

(Löhr-Steinhaus, Direktor des Arbeitsgerichts; Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.10.2010 – 1 BV 47/10)

Quelle: Pressemitteilung 2010 Nr. 1 – ArbG Bonn vom 26.10.2010 auf  www.lag-koeln.nrw.de

Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PC

27. Oktober 2010

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in drei Fällen entschieden, dass für internetfähige PC Rundfunkgebühren zu zahlen sind.

Die Rundfunkanstalten halten die Besitzer von internetfähigen PC für gebührenpflichtig, weil sich mit diesen Geräten Sendungen empfangen lassen, die mit sog. Livestream in das Internet eingespeist werden. Im Rahmen der Zweitgeräte-Befreiung wird die Rundfunkgebühr allerdings nicht verlangt, wenn der Besitzer bereits über ein angemeldetes herkömmliches Rundfunkgerät in derselben Wohnung oder demselben Betrieb verfügt. Die Kläger waren zwei Rechtsanwälte und ein Student, die in ihren Büros bzw. in der Wohnung kein angemeldetes Rundfunkgerät bereit hielten, aber dort jeweils internetfähige PC besaßen.

Der 6. Senat hat die Revisionen der drei Kläger gegen abschlägige Urteile der Vorinstanzen zurückgewiesen: Bei internetfähigen PC handelt es sich um Rundfunkempfangsgeräte i.S.d. Rundfunkgebührenstaatsvertrags. Für die Gebührenpflicht kommt es nach dessen Regelungen lediglich darauf an, ob die Geräte zum Empfang bereit gehalten werden, nicht aber darauf, ob der Inhaber tatsächlich Radio- bzw. Fernsehsendungen mit dem Rechner empfängt. Ebenso wenig ist es erheblich, ob der PC mit dem Internet verbunden ist, wenn er technisch nur überhaupt dazu in der Lage ist.

Diese sich aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag ergebende Rechtslage verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verletzt sie nicht in rechtswidriger Weise die Rechte der Kläger auf Freiheit der Information (Art. 5 Abs. 1 GG) und der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Zwar greift die Erhebung von Rundfunkgebühren für internetfähige PC in die Grundrechte der Kläger aus Art. 5 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG ein, indem sie die Rundfunkgebührenpflicht an die – jedenfalls auch – beruflichen und informatorischen Zwecken dienende Nutzung oder auch nur den Besitz der Rechner knüpft. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt durch die – ebenfalls verfassungsrechtlich begründete – Finanzierungsfunktion der Rundfunkgebühren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig, sondern von der Typisierungsbefugnis des Gebührengesetzgebers gedeckt.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird vom Rundfunkgebührenstaatsvertrag ebenfalls nicht verletzt. Zwar werden insofern ungleiche Sachverhalte gleich behandelt, als die herkömmlichen monofunktionalen Rundfunkempfangsgeräte mit den multifunktionalen internetfähigen PC gebührenrechtlich gleich behandelt werden. Entscheidend für die Gebührenerhebung ist jedoch nicht die technische Unterschiedlichkeit der Empfangsgeräte, sondern die gleiche Möglichkeit zum Empfang von Rundfunksendungen durch diese verschiedenartigen Geräte.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Abgabenrecht, dass die Gebührenpflichtigen durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Gebührengrundlage nach sich ziehen. Die Rundfunkanstalten können an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PC daher auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lässt. Insoweit wird der Gesetzgeber die Entwicklung zu beobachten haben.

BVerwG 6 C 12.09, 6 C 17.09 und 6 C 21.09 – Urteile vom 27. Oktober 2010

Vorinstanzen:
BVerwG 6 C 12.09: OVG Koblenz, 7 A 10959/08 – Urteil vom 12. März 2009 – VG Koblenz, 1 K 496/08.KO – Urteil vom 15. Juli 2008 -
BVerwG 6 C 17.09: OVG Münster, 8 A 732/09 – Urteil vom 26. Mai 2009 – VG Münster 7 K 744/08 – Urteil vom 27. Februar 2009 -
BVerwG 6 C 21.09: VGH München, 7 B 08.2922 – Urteil vom 19. Mai 2009 – VG Ansbach, AN 5 K 08.00348 – Urteil vom 10. Juli 2008 -

Quelle: Pressemitteilung Nr. 93/2010 vom 27.10.2010 auf www.bverwg.de

Mietkautionszahlung darf von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos abhängig gemacht werden

14. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Mieter von Wohnraum die Zahlung der Kaution von der Benennung eines insolvenzfesten Kontos durch den Vermieter abhängig machen darf.

Die Beklagten haben von den Klägern, die Eigentümer eines Gutshofes mit Stallungen und Weideland sind, durch zwei voneinander abhängige Mietverträge eine auf diesem Hof gelegene Wohnung sowie sechs Pferdeboxen nebst Weideland gemietet. Während der Mietvertrag über die Stallungen keine Kautionszahlung der Beklagten vorsieht, enthält der Wohnraummietvertrag in § 6 Nr. 2 folgende Regelung zur Sicherheitsleistung:

“Der Mieter leistet bei Beginn des Mietverhältnisses dem Vermieter für die Erfüllung seiner Verpflichtungen eine Barkaution in Höhe von 2.000,00 € auf ein Mietkautionskonto – Übergabe an den Vermieter beim Einzug. Der Vermieter hat diese Geldsumme getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Zinsen stehen dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Der Mieter ist berechtigt, die Kautionssumme in 3 Monatsraten zu bezahlen. Die erste Rate ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig, die beiden folgenden Raten mit der zweiten und dritten Miete (…).”

Die Beklagten zahlten die vereinbarte Kaution trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Sie beriefen sich darauf, dass eine Zahlung erst dann erfolgen müsse, wenn die Vermieter ihnen ein gesondertes und den gesetzlichen Anforderungen genügendes Mietkautionskonto benannt und nachgewiesen hätten. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass ein Mietkautionskonto nicht vorab mitgeteilt werden müsse, und kündigten in der Folge das gesamte Mietverhältnis wegen der fehlenden Kautionsleistung. Die Kläger haben mit ihrer Klage Räumung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Mieter die Zahlung der Kaution davon abhängig machen darf, dass der Vermieter zuvor ein insolvenzfestes Konto benennt. Gemäß § 551 Abs. 3 BGB* hat der Vermieter eine ihm überlassene Mietsicherheit unabhängig von der gegebenenfalls vereinbarten Anlageform getrennt von seinem Vermögen anzulegen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Kaution vom Vermögen des Vermieters zu trennen und so vor dem Zugriff von dessen Gläubigern zu schützen. Es besteht kein Grund dafür, dem Mieter diesen vom Gesetzgeber bezweckten Schutz nicht von vornherein zu gewähren, sondern bei Beginn des Mietverhältnisses eine Lücke zu belassen, indem der Mieter die Kaution dem Vermieter zunächst in bar übergeben oder auf ein nicht insolvenzfestes Vermieterkonto überweisen muss. Im vorliegenden Streitfall haben die Mieter durch die Nichtzahlung der Kaution daher ihre Pflicht zur Erbringung der Mietsicherheit nicht verletzt; die darauf gestützte Kündigung ist unwirksam.

* § 551BGB: Begrenzung und Anlage von Mietsicherheiten

(…)

(3) Der Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen. Die Vertragsparteien können eine andere Anlageform vereinbaren. In beiden Fällen muss die Anlage vom Vermögen des Vermieters getrennt erfolgen und stehen die Erträge dem Mieter zu. Sie erhöhen die Sicherheit. Bei Wohnraum in einem Studenten- oder Jugendwohnheim besteht für den Vermieter keine Pflicht, die Sicherheitsleistung zu verzinsen. (…)

Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 98/10

AG Rheinberg – Urteil vom 20. Juli 2009 – 12 C 498/08

LG Kleve – Urteil vom 25. März 2010 – 6 S 129/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 193/2010 vom 13.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Zu den Informationspflichten eines Vermieters im Fall des Freiwerdens einer vergleichbaren Wohnung nach einer Eigenbedarfskündigung

14. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat die Pflicht des Vermieters präzisiert, dem Mieter nach einer berechtigten Kündigung wegen Eigenbedarfs eine während der Kündigungsfrist freiwerdende vergleichbare Wohnung im selben Haus anzubieten.

Der Beklagte ist Mieter einer Wohnung der Klägerin in Bonn, in der er zusammen mit seiner ebenfalls in Anspruch genommenen Ehefrau lebt. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis durch Schreiben vom 23. April 2008 wegen Eigenbedarfs zum 31. Januar 2009. Vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde im 1. Obergeschoss des Hauses, in dem auch die Mietwohnung der Beklagten gelegen ist, eine weitere Mietwohnung der Klägerin frei. Die Klägerin vermietete diese Wohnung anderweitig neu, ohne sie zuvor den Beklagten angeboten zu haben.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat der Klage auf die Berufung der Vermieterin stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat seine Rechtsprechung bekräftigt, dass der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist anbieten muss, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Anderenfalls ist die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Anbietpflicht muss der Vermieter den Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung (Größe und Ausstattung der Wohnung sowie Mietkonditionen) informieren. Da im vorliegenden Streitfall der Vermieter dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, hat er keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der an die Beklagten vermieteten Wohnung.

Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 78/10

AG Bonn – Urteil vom 5. November 2009 – 202 C 58/09

LG Bonn – Urteil vom 18. März 2010 – 6 S 5/10

Quelle: Pressemitteilung Nr. 192/2010 vom 13.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Kündigung durch einen gewerblichen Großvermieter

13. Oktober 2010

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es einem gewerblichen Großvermieter in tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen zuzumuten ist, ein Kündigungsschreiben ohne anwaltliche Hilfe zu verfassen. Die Kosten für einen dennoch beauftragten Rechtsanwalt sind daher vom Mieter nicht zu erstatten.

Die Klägerin ist ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft, das über eine Vielzahl von Wohnungen verfügt und diese gewerblich vermietet. Die Beklagten, die eine Wohnung von der Klägerin gemietet haben, gerieten mit zwei Monatsmieten in Rückstand. Daraufhin erklärte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben die fristlose Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB*. Die Klägerin hat mit ihrer Klage Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung der durch das Kündigungsschreiben entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 402,82 € begehrt. Hinsichtlich der in der Revision allein noch maßgeblichen Rechtsanwaltskosten hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Kosten, die aus der Sicht des Vermieters zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte nicht erforderlich und zweckmäßig sind, vom Mieter nicht als Verzugsschaden zu ersetzen sind. Sofern es sich wie in der entschiedenen Konstellation um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall handelt, bedarf ein gewerblicher Großvermieter für die Abfassung einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung keiner anwaltlichen Hilfe. Dies gilt auch dann, wenn der Großvermieter nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt.

*§ 543 BGB: Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…)

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)

3. der Mieter

a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder

b)in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. (…)

Urteil vom 6. Oktober 2010 – VIII ZR 271/09

AG Wiesbaden – Urteil vom 6. April 2009 – 93 C 8201/08 (29)

LG Wiesbaden – Urteil vom 18. September 2009 – 2 S 38/09

Quelle: Pressemitteilung Nr. 188/10 vom 06.10.2010 auf www.bundesgerichtshof.de

Neues zur Klagefrist gemäß § 4 KSchG

21. September 2010

Entscheidung:

Ein Arbeitnehmer muss bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 700/09 -
Vorinstanz:  Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.08.2009 – 2 Sa 132/09 -

Pressemitteilung Nr. 67/10 des BAG vom 01.09.2010 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Beurteilung:

Mit dieser Entscheidung setzt sich der 5. Senat des BAG in Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Der 2. Senat hat mit Urteil vom 06.07.2006 – 2 AZR 215/05 – festgestellt, dass auch nach Änderung des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zum 01.01.2004, die Einhaltung der Kündigungsfrist auch außerhalb der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden kann. Die unzutreffende Berechnung der Kündigungsfrist macht die ordentliche Kündigung nicht insgesamt unwirksam (so auch Senat 15. Dezember 2005 – 2 AZR 148/05DB 2006, 1116; vgl. Hanau ZIP 2004, 1169, 1175; KR-Spilger 7. Aufl. § 1a KSchG Rn. 67; zu § 4 Satz 1 KSchG aF wohl auch BAG 12. Januar 1994 – 4 AZR 152/93AP BGB § 622 Nr. 43 = EzA BGB § 622 nF Nr. 47, zu B I 3 der Gründe)

Fazit:

Allerdings ist das vollständige Urteil noch nicht veröffentlicht, weshalb abzuwarten bleibt, ob der 5. Senat des BAG eine wirkliche Änderung der Rechtsprechung forciert oder es vorliegend aufgrund eines Einzelfalls zu einer „abweichenden“ Entscheidung gekommen ist.

Bis zur Veröffentlichung und Klarstellung der Rechtsauffassung des Senats, ist die Einhaltung der 3-wöchigen Klagefrist unbedingt zu beachten.

Auskünfte zu diesem Rechtsthema oder zum Arbeitsrecht insgesamt erteilt:
Rechtsanwalt Wollschlaeger