Jura Update

AGB-Kontrolle einer doppelten Schriftformklausel

22. Mai 2008

Vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsvertragsklauseln sind gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorrang.
Der Kläger war von Mai 2002 bis zum 31. März 2006 für die Beklagte als Büroleiter in China mit dortigem Wohnsitz beschäftigt. Die Beklagte erstattete ihm und den anderen dort tätigen Mitarbeitern die Kosten für die Miete. Ab August 2005 verweigerte sie gegenüber dem mittlerweile gekündigten Kläger die Fortsetzung dieser Übung unter Berufung auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformklausel. Nach dem Formulararbeitsvertrag bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags sowie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftform.
Der Neunte Senat hat ebenso wie das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Der Erstattungsanspruch des Klägers folgt aus betrieblicher Übung. Die Schriftformklausel ist zu weit gefasst und daher gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie erweckt beim Arbeitnehmer entgegen der Schutzvorschrift des § 305b BGB den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gem. § 125 Satz 2 BGB unwirksam (BAG, Urteil vom 20. Mai 2008, 9 AZR 382/07).

Quelle: Pressemitteilung 39/08 vom 20.05.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

EuGH: Ein Verbraucher ist nicht verpflichtet, dem Verkäufer eines mangelhaften Verbrauchsguts Wertersatz für die Nutzung des Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch zu leisten

20. Mai 2008

Anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt hat, erfüllt der Verkäufer eines nicht vertragsgemäßen Verbrauchsguts seine vertragliche Verpflichtung nicht ordnungsgemäß und muss daher die Folgen der Schlechterfüllung tragen.

Im August 2002 lieferte das Versandhandelsunternehmen Quelle einer deutschen Verbraucherin ein Herd-Set. Anfang 2004 stellte die Verbraucherin fest, dass das Gerät mangelhaft war. An der Innenseite des zu dem Herd-Set gehörenden Backofens hatte sich die Emailleschicht abgelöst. Da eine Reparatur nicht möglich war, gab die Verbraucherin das Gerät an Quelle zurück, die es durch ein neues Gerät ersetzte. Quelle verlangte jedoch von der Verbraucherin die Zahlung von 69,97 Euro als Wertersatz für die Vorteile, die sie aus der Nutzung des ursprünglich gelieferten Geräts gezogen hatte.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verlangte, gestützt auf eine Ermächtigung durch die Verbraucherin, dass der von ihr geleistete Wertersatz an sie zurückgezahlt wird. Daneben beantragte er, Quelle zu verurteilen, es zu unterlassen, im Fall einer Ersatzlieferung für eine dem Kaufvertrag nicht entsprechende Ware deren Nutzung in Rechnung zu stellen. er Bundesgerichtshof (BGH), der in letzter Instanz über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, hat festgestellt, dass nach deutschem Schuldrecht der Verkäufer im Fall der Ersatzlieferung für eine mangelhafte Sache Anspruch auf Wertersatz für die Vorteile habe, die der Käufer aus der Nutzung dieser Sache bis zu deren Austausch durch eine neue Sache gezogen habe. Da der BGH Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Gemeinschaftsrichtlinie über die Verbrauchsgüter1 hat, hat er dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage vorgelegt, ob die Bestimmungen der Richtlinie der Verpflichtung des Verbrauchers entgegenstehen, dem Verkäufer Wertersatz für die Nutzung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts zu leisten.
In seinem heute (17.04.2008) verkündeten Urteil bejaht der Gerichtshof (EuGH) diese Frage. Er erinnert zunächst daran, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Im Fall der Vertragswidrigkeit kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsguts oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern nicht die Erfüllung seiner Forderung unmöglich oder die Forderung unverhältnismäßig ist. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch den Verkäufer den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen soll, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands entspricht auch dem Zweck der Richtlinie, mit der ein Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus geleistet werden soll. Der Gerichtshof weist sodann die Auffassung zurück, dass die Richtlinie einen allgemeinen Grundsatz enthalte, der die Mitgliedstaaten ermächtige, in sämtlichen Fällen, in denen sie dies wünschten, die Benutzung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts durch den Verbraucher zu berücksichtigen. Nur im Fall der Vertragsauflösung schreibt nämlich die Richtlinie den Grundsatz der gegenseitigen Herausgabe der erlangten Vorteile fest. Der Verkäufer erfüllt nach den Ausführungen des Gerichtshofs anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt hat, seine vertragliche Verpflichtung nicht ordnungsgemäß, wenn er ein nicht vertragsgemäßes Verbrauchsgut liefert. Er muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Seine finanziellen Interessen werden jedoch zum einen durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren und zum anderen durch die Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe als unverhältnismäßig erweist, weil sie ihm unzumutbare Kosten verursachen würde. Der Gerichtshof kommt damit zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Verkäufer, der ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen (EuGH, Urteil des Gerichtshofs vom 17.04.2008 in der Rechtssache C-404/06).

Quelle: Pressemitteilung 28/08 vom 17.04.2008 auf www.curia.europa.eu

Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags und Wiedereinstellungsanspruch – zwei Streitgegenstände

15. Mai 2008

Macht ein Arbeitnehmer die Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags geltend und verlangt er hilfsweise seine Wiedereinstellung, handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Zum einen geht es um die Wirksamkeit der Beendigung und zum andern um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Weist das Arbeitsgericht eine entsprechende Klage mit der Begründung ab, die Aufhebungsvereinbarung sei wirksam und ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe nicht, weil die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen sei (§ 313 BGB), hat sich der Kläger in der Berufungsbegründung sowohl mit der Frage der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags als auch mit der Begründung des Arbeitsgerichts zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auseinanderzusetzen, wenn er beide Streitgegenstände zum Gegenstand der Berufung machen will. Setzt er sich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht mit der Begründung des Arbeitsgerichts zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auseinander, ist die Berufung hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs unzulässig. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung im Berufungs- und Revisionsverfahren ist dann allein die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags.
Der Kläger hatte einen Aufhebungsvertrag geschlossen, in dem die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart sowie ein Wiedereinstellungsanspruch ausgeschlossen war. Mit seiner Klage hat er geltend gemacht, der Aufhebungsvertrag sei nach § 305c Abs. 1, § 307 BGB unwirksam. Ihm stehe jedenfalls ein Wiedereinstellungsanspruch zu, weil der Betrieb nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses in verkleinerter Form fortgeführt worden sei. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt, die Aufhebungsvereinbarung sei wirksam. Ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe nicht, weil die Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag nicht weggefallen sei. Mit seiner Berufung hat der Kläger innerhalb der Berufungsbegründungsfrist lediglich geltend gemacht, der Aufhebungsvertrag halte einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Begründung des Arbeitsgerichts zum fehlenden Wegfall der Geschäftsgrundlage hat der Kläger erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist angegriffen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, soweit der Kläger Wiedereinstellung begehrt hat; im Übrigen hat es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben (BAG, Urteil vom 8. Mai 2008, 6 AZR 517/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 38/08 vom 08.05.2008 auf www. bundesarbeitsgericht.de

Blitzaustritt aus Arbeitgeberverband – Arbeitsvertraglicher Ausschluss einer tariflichen Sonderzuwendung

15. Mai 2008

Die unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifnormen bei beiderseitiger Tarifgebundenheit kann nicht durch ungünstigere arbeitsvertragliche Vereinbarungen beseitigt werden (§ 4 Abs. 3 TVG); dabei bleibt es auch bei einem Ausscheiden des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband. Der zum Zeitpunkt seines Austritts vollwirksame Tarifvertrag gilt weiter zwingend, bis er geendet hat oder geändert worden ist (§ 3 Abs. 3 TVG, sog. Nachbindung). Danach wirken die Normen des Tarifvertrages nur noch nach (§ 4 Abs. 5 TVG) und können durch eine einzelvertragliche andere Abmachung – auch verschlechternd – abgeändert werden. Diese Nachwirkung tritt aber auch unabhängig davon, ob der Arbeitgeber noch tarifgebunden ist, immer dann ein, wenn der Tarifvertrag durch Kündigung oder infolge Fristablaufs geendet hat. Verweist ein Tarifvertrag auf die Regelungen eines anderen Tarifvertrages, tritt Nachwirkung auf jeden Fall ein, wenn der Verweisungstarifvertrag abläuft. Ob das auch gilt, wenn nur der in Bezug genommene Tarifvertrag endet, ob also der nachwirkende Geltungszustand des Bezugstarifvertrages auch im Geltungsbereich des Verweisungstarifvertrages eintritt, ist durch Auslegung des Verweisungstarifvertrags zu ermitteln.
Der Kläger war seit Januar 2002 auf Grund mehrerer befristeter Verträge als studentische Hilfskraft bei der beklagten Universität beschäftigt. In den Arbeitsverträgen war die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für studentische Hilfskräfte II (TV Stud II) vereinbart, der hinsichtlich der Zuwendung auf den Tarifvertrag über die Zuwendung für Angestellte (ZuwendungsTV) verweist. Der TV Stud II ist von dem Verband von Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes (VAdöD), dessen Mitglied die Beklagte jedenfalls bis Anfang 2003 war, und der Gewerkschaft ver.di, der der Kläger später, zum 1. Dezember 2004, beigetreten ist, abgeschlossen worden. Am 7. Januar 2003 beschloss der Vorstand der VAdöD unter Berufung auf eine Bestimmung der Verbandssatzung, den Hochschulen des Landes Berlin die Möglichkeit eines Austritts aus dem Verband ohne Einhaltung der regelmäßigen Frist von sechs Monaten zum Monatsende zu eröffnen. Die Beklagte erklärte daraufhin mit Schreiben vom 10. Januar 2003 ihren sofortigen Austritt aus dem VAdöD („Blitzaustritt“). Durch den „Tarifvertrag vom 31. Januar 2003 zur Änderung der Zuwendungstarifverträge“ wurde der ZuwendungsTV hinsichtlich der die Höhe der Zuwendung bestimmenden Protokollnotizen geändert. Beide Tarifverträge sind vom Bund, der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) und der VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) vereinbart worden. Jedenfalls die TdL kündigte den ZuwendungsTV zum 30. Juni 2003.
Die Beklagte vereinbarte mit dem Kläger beginnend mit dem Änderungsvertrag vom 17. Dezember 2003 mit Wirkung ab 17. Januar 2004, dass der gekündigte ZuwendungsTV nicht mehr maßgeblich sein solle und zahlte dem Kläger die Zuwendung nur anteilig bis Januar 2004. Sie berief sich auf die vertragliche Abbedingung des ZuwendungsTV sowie darauf, die zwingende Wirkung des ZuwendungsTV habe für sie und die tarifgebundenen Arbeitnehmer im Frühjahr 2003 geendet, bevor der Kläger am 1. Dezember 2004 Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft geworden sei, weil dieser Tarifvertrag nach ihrem Austritt aus dem VAdöD im Frühjahr 2003 geändert worden sei. Die vertragliche Abbedingung sei damit wirksam. Der Kläger verlangt die – restliche – Zuwendung für das Jahr 2004 und meint, der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband sei erst nach der Änderung des ZuwendungsTV wirksam geworden, weshalb die Nachbindung der Beklagten an diesen Tarifvertrag bis zu seinem Gewerkschaftsbeitritt fortbestanden habe. Da es auf die beiderseitige Tarifgebundenheit im Dezember 2004 ankomme, gebe der ZuwendungsTV den geltend gemachten Anspruch; die ungünstigere vertragliche Vereinbarung sei unwirksam.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage ebenso wie die Vorinstanzen abgewiesen. Es hat aber – anders als diese – nicht auf die Wirksamkeit des „Blitzaustritts“ der Beklagten aus dem VAdöD abgestellt. Die Unbegründetheit der Klage ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte an die tarifliche Regelung über die Zuwendung in jedem Falle ab dem 1. Juli 2003 nur noch im Zustand der Nachwirkung gebunden war. Diese Regelung war seither einzelvertraglich abdingbar. Der ZuwendungsTV ist ein mehrgliedriger Tarifvertrag. Die drei von den Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite (Bund, TdL, VKA) mit ver.di geschlossenen Tarifverträge sind in einer Urkunde zusammengefasst worden. Jede Tarifvertragspartei hat aber ihr Recht zur autonomen Vertragsgestaltung, z.B. durch Kündigung, behalten. Die Kündigung des ZuwendungsTV durch die TdL führte damit zur Beendigung des von der TdL abgeschlossenen ZuwendungsTV und damit zu dessen Nachwirkung ab dem 1. Juli 2003. Die Verweisung des TV Stud II auf den ZuwendungsTV bezieht sich auf den von der TdL abgeschlossenen Tarifvertrag. Die Beklagte ist eine Einrichtung des Landes. Außerdem hat der VAdöD, der den TV Stud II abgeschlossen hat und dessen Mitglied die Beklagte war, bereits 1994 in einem Tarifvertrag die Übernahme der von der TdL abgeschossenen Tarifverträge vereinbart. Die Verweisung des TV Stud II bezieht sich auch auf den jeweiligen Geltungszustand des in Bezug genommenen ZuwendungsTV der TdL, so dass die tariflichen Regelungen über die Zuwendung ab dem 1. Juli 2003 im Geltungsbereich des TV Stud II ebenfalls nur noch nachwirkten. Durch den Änderungsvertrag vom 17. Dezember 2003 konnte deshalb ein tariflicher Zuwendungsanspruch des Klägers auch für die Zeit nach seinem Gewerkschaftsbeitritt zum 1. Dezember 2004 wirksam ausgeschlossen werden. Über die Wirksamkeit des „Blitzaustritts“ war danach nicht zu entscheiden (BAG, Urteil vom 7. Mai 2008, 4 AZR 229/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 37/08 vom 07.05.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei einer Stellenbesetzung

15. Mai 2008

Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem männlichen Mitbewerber, so hat die Arbeitnehmerin eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten im Bereich „International Marketing“, dem der „Vizepräsident“ E. vorstand, als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des E. frei. Die Beklagte besetzte diese mit einem männlichen Kollegen und nicht mit der schwangeren Klägerin. Diese begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden. Die Beklagte behauptet, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Er hat angenommen, die Klägerin habe Tatsachen vorgetragen, die ihre geschlechts- spezifische Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17. 08. 2006) vermuten lassen können. So habe die Beklagte die Schwangerschaft der Klägerin gekannt. Die weiteren Behauptungen der Klägerin, sie sei Vertreterin des E. gewesen und dieser habe ihr auch seine Nachfolge in Aussicht gestellt, muss das Landesarbeitsgericht ebenso berücksichtigen wie die Behauptung der Klägerin, sie sei bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung damit getröstet worden, dass sie sich auf ihr Kind freuen solle (BAG, Urteil vom 24. April 2008, 8 AZR 257/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/08 vom 24.04.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Tarifliche Kündigungsfrist für Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit

15. Mai 2008

Nach § 622 Abs. 4 BGB kann durch Tarifvertrag von den gesetzlichen Regelungen der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB abgewichen werden. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, für Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer verlängerte Kündigungsfristen vorzusehen. Es besteht kein Differenzierungsgebot zugunsten älterer Arbeitnehmer.
Der Kläger im heute entschiedenen Fall war seit 1975 bei der Beklagten tätig, die weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigte. Im Jahre 2005 legte die Beklagte den Betrieb still und kündigte dem Kläger am 14. November 2005 zum 31. Dezember 2005. Der einschlägige Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Kraftfahrzeuggewerbes in Bayern vom 5. April 2004 sieht für alle Kündigungen gegenüber Arbeitnehmern in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten eine einheitliche Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende vor. Der Kläger, der die Beendigung als solche zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt hat, machte geltend, die tarifliche Regelung sei unwirksam und das Arbeitsverhältnis ende erst mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende, also am 30. Juni 2006.
Die Klage blieb wie schon in den Vorinstanzen auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Das Gesetz sieht zwar in § 622 Abs. 2 BGB nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Kündigungsfristen für Kündigungen durch den Arbeitgeber vor. So beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist nach 20-jähriger Zugehörigkeit zum Betrieb sieben Monate zum Monatsende. Die gesetzlichen Kündigungsfristen stehen aber nach der ausdrücklichen Anordnung in § 622 Abs. 4 BGB zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Von ihrer Befugnis zur Bestimmung abweichender Fristenregelungen haben die Tarifvertragsparteien hier einen nicht zu beanstandenden Gebrauch gemacht, indem sie für Kleinbetriebe unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit einheitliche Kündigungsfristen vorgesehen haben (BAG, Urteil vom 23. April 2008, 2 AZR 21/07).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 34/08 vom 23.04.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Befristung eines Arbeitsvertrags – Schriftformerfordernis

15. Mai 2008

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien nur mündlich die Befristung eines Arbeitsvertrags, so ist die Befristungsabrede unwirksam und ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen. Übersendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Vertragsbeginn einen von ihm bereits unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag mit der Bitte um Rücksendung eines unterzeichneten Exemplars, kann der Arbeitnehmer das Vertragsangebot des Arbeitgebers grundsätzlich nur durch die Unterzeichnung der Urkunde annehmen. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden.
Der Kläger war bei der Beklagten als Industriemechaniker auf Grund eines vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 befristeten Arbeitsvertrags beschäftigt. Die Beklagte übersandte dem Kläger vor Beginn des Arbeitsverhältnisses einen von ihr bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag mit der Bitte um Unterzeichnung und baldige Rückgabe. Der Kläger nahm vereinbarungsgemäß am 4. Januar 2005 seine Arbeit auf. Auf Nachfrage eines Vertreters der Beklagten übergab er nach seinem Arbeitsantritt den von ihm unterzeichneten Arbeitsvertrag.
Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG ist durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags gewahrt. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger den Vertrag erst nach dem Arbeitsantritt unterzeichnet haben sollte. Durch die Arbeitsaufnahme ist ein Arbeitsverhältnis nicht begründet worden, da die Beklagte ihr Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags abhängig gemacht hatte (BAG, Urteil vom 16. April 2008, 7 AZR 1048/08).

Quelle: Pressemitteilung Nr. 33/08 vom 16.04.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Probezeitbefristung innerhalb eines für ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags

15. Mai 2008

Enthält ein Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung für die Dauer eines Jahres im nachfolgenden Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung des Arbeitsvertrags zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit, ist die Probezeitbefristung eine überraschende Klausel, die nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil wird. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1. November 2005 beschäftigt. Nach § 1 des von der Beklagten gestellten Formulararbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 1. November 2005 bis zum 31. Oktober 2006 befristet. Diese Vertragsdauer war fett und in vergrößerter Schrift gedruckt. In dem folgenden Vertragstext war ohne besondere drucktechnische Hervorhebung bestimmt, dass die ersten sechs Monate als Probezeit gelten und das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit ende, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. April 2006 mit, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung zum Ablauf der Probezeit am 30. April 2006 ende.
Der Siebte Senat hat der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2006 gewandt hat, ebenso wie die Vorinstanzen stattgegeben. Die Probezeitbefristung ist als überraschende Klausel nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Klägerin konnte aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags mit der drucktechnischen Hervorhebung der einjährigen Vertragslaufzeit entnehmen, dass dieser für die Dauer eines Jahres abgeschlossen werden sollte. Nach dieser optischen Vertragsgestaltung brauchte die Klägerin nicht damit zu rechnen, dass der nachfolgende Text ohne drucktechnische Hervorhebung eine weitere Befristung zu einem früheren Beendigungszeitpunkt enthielt mit der Folge, dass die Befristung für die Dauer eines Jahres nicht zum Tragen kam, da das Arbeitsverhältnis bereits zuvor nach Ablauf von sechs Monaten enden sollte (BAG, Urteil vom 16. April 2008, 7 AZR 132/07) .

Quelle: Pressemitteilung Nr. 32/08 vom 16.04.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Unternehmen dürfen für Abmahnung Anwälte einschalten

13. Mai 2008

Der u.a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gestern (08.05.2008) entschieden, dass in der Regel im Zuge einer Abmahnung auch die Anwaltskosten des Abmahnenden ersetzt werden müssen. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen. Zwei Werber der Beklagten hatten versucht, eine Kundin der Klägerin, der Deutschen Telekom AG, für die Beklagte zu gewinnen, und hatten dabei irreführende Behauptungen aufgestellt. Obwohl die Deutsche Telekom AG eine eigene Rechtsabteilung unterhält, hatte sie die Beklagte durch ein Rechtsanwaltsbüro abmahnen lassen. Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgab, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung, die die Beklagte schließlich als endgültige Regelung anerkannte. Soweit die Anwaltskosten durch das Gerichtsverfahren veranlasst waren, mussten sie ohnehin von der Beklagten getragen werden. Im Streit waren deswegen nur noch die durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten. Das Landgericht und das Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben und sich dabei auf eine Bestimmung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützt, die dem Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gibt. Auch wenn der Wettbewerbsverstoß klar auf der Hand gelegen sei, habe die Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten dürfen. Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Auszugehen sei von der tatsächlichen Organisation des abmahnenden Unternehmens. Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sei nicht gehalten, die eigenen Juristen zur Überprüfung von Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber einzusetzen und gegebenenfalls Abmahnungen auszusprechen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehöre nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens. Deswegen sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG sich für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Anwälte bediene, mit denen es auch sonst in derartigen Angelegenheiten zusammenarbeite (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 2008 – I ZR 83/06 Abmahnkostenersatz).

Quelle: Pressemitteilung 93/08 vom 09.05.2008 auf www.bundesgerichtshof.de

Preiserhöhungsklausel in Erdgassondervertrag unwirksam

6. Mai 2008

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat heute (29.04.2008) in einem Rechtsstreit entschieden, in dem etwa 160 private Kläger mit dem beklagten Gasversorgungsunternehmen, das Ostsachsen mit Erdgas beliefert, um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen streiten. Die Kläger sind keine Tarifkunden, sondern Sondervertragskunden der Beklagten. In den Gaslieferungsverträgen heißt es jeweils, dass die Beklagte berechtigt sei, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der Beklagten erfolge. Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis zum 1. Juni und 1. November 2005 sowie zum 1. Januar und 1. April 2006. Das Landgericht Dresden hat festgestellt, dass die Preiserhöhungen unwirksam seien. Das Oberlandesgericht Dresden hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof sieht in der Preisänderungsklausel des Gaslieferungsvertrags eine nach § 307 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Klausel stelle eine den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung der Gaskunden dar. Bei der Prüfung, ob eine mehrdeutige Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam sei, müsse von der für den Kunden ungünstigsten Auslegung ausgegangen werden. Danach berechtige die hier in Rede stehende Preisänderungsklausel die Beklagte zwar, verpflichte sie aber nicht, bei einem veränderten Gaseinkaufspreis den Lieferpreis anzupassen. Nach dieser Auslegung sei die Beklagte nicht verpflichtet, eine Preisanpassung nach gleichmäßigen Maßstäben zu bestimmten Zeitpunkten unabhängig davon vorzunehmen, in welche Richtung sich der Einstandpreis seit Vertragsschluss oder seit der letzten Preisanpassung entwickelt habe. Damit würden die Folgen von Schwankungen des Einkaufspreises einseitig dem Kunden auferlegt. Dem Argument der Beklagten, die Preisänderungsklausel sei deshalb wirksam, weil auch die (bis zum 7. November 2006 für Tarifkunden geltende) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) keine Kriterien für Preisanpassungen formuliere, ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Da der Gasversorger, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13. Juni 2007 (BGHZ 172, 315) entschieden hat, nach der Verordnung den allgemeinen Gastarif nach billigem Ermessen zu bestimmen habe, sei er bereits von Gesetzes wegen verpflichtet, Kostensteigerungen wie Kostensenkungen nach gleichen Maßstäben Rechnung zu tragen. Eine entsprechende Verpflichtung sehe demgegenüber die vertragliche Preisanpassungsklausel gerade nicht vor. Schließlich hat es der Bundesgerichtshof auch abgelehnt, der Beklagten an Stelle der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung in ergänzender Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht einzuräumen. Da beide Vertragsparteien den Vertrag nach zweijähriger Laufzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen könnten, sei es für die Beklagte nicht unzumutbar, wenn sie den Gaspreis innerhalb der Vertragslaufzeit nicht erhöhen könne (Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. April 2008 – KZR 2/07 – Gassondervertrag ).

Quelle: Pressemitteilung 86/08 vom 29.04.2008 auf www.bundesgerichtshof.de