Jura Update

Gesamtversorgung – Störung der Geschäftsgrundlage

22. Februar 2008

Ein Arbeitgeber, der eine Gesamtversorgungszusage erteilt hat, ist nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berechtigt, eine Anpassung der Versorgungsregelungen zu verlangen, wenn eine Äquivalenzstörung vorliegt. Hiervon ist erst dann auszugehen, wenn die bei Schaffung des Versorgungswerks zugrunde gelegte Belastung wegen Änderungen im Sozialversicherungsrecht zum Anpassungsstichtag um mehr als 50 % überschritten wird. Der Arbeitgeber, der eine Gesamtversorgung zusagt, bringt damit zum Ausdruck, dass er für ein bestimmtes Versorgungsniveau einstehen will. Dies stellt die Übernahme eines gesteigerten Risikos dar. Hiervon kann der Arbeitgeber sich nur unter besonders strengen Voraussetzungen lösen.
Der Kläger war seit 1972 bei einem Rechtsvorgänger der Beklagten beschäftigt. Seit 1999 bezieht er gesetzliche Altersrente und eine Betriebsrente. Die Rechtsvorgänger der Beklagten hatten ihren Arbeitnehmern stets eine Gesamtversorgung mit einer sog. Gesamtrentenfortschreibung zugesagt. Danach wurde das ruhegeldfähige Einkommen des jeweiligen Ruhegeldempfängers nach Maßgabe des Anstiegs der Tabellen der Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen fortgeschrieben. Hieraus wurde unter Zugrundelegung der individuellen Daten jährlich neu der Betrag der Gesamtversorgung errechnet. Auf den so errechneten Betrag wurde der anrechnungsfähige Teil der aktuellen Sozialversicherungsrente angerechnet. Mit Schreiben vom 27. Februar 2004 teilten die Rechtsvorgänger der Beklagten den Versorgungsempfängern mit, künftig würden lediglich die derzeitige Betriebsrente dynamisiert und Veränderungen der Sozialversicherungsrente nicht mehr berücksichtigt.
Die Neuregelung führte beim Kläger zu einer monatlichen Einbuße von 13,67 Euro. Diese Differenz hat er eingeklagt. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb in diesem und zahlreichen Parallelverfahren erfolglos. Die von der Beklagten geltend gemachte bisherige Mehrbelastung lag bei 32,8 % und damit deutlich unter der „Opfergrenze“ von 50 %.

Quelle: Pressemitteilung 14/08 vom 19.02.2008 unter www.bundesarbeitsgericht.de

Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung im Krankenpflegebereich

22. Februar 2008

Der Träger der Ausbildung hat Schülern nach § 12 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes eine angemessene Ausbildungsvergütung zu gewähren. Für die Angemessenheitskontrolle gelten die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht zu § 10 Abs. 1 BBiG aF (heute § 17 Abs. 1 BBiG) entwickelt hat. Die Besonderheit der Krankenhausfinanzierung durch Budgetierung beschränkt die Angemessenheitskontrolle nicht. Die angemessene Ausbildungsvergütung orientiert sich nicht am Budget, sondern ist bei der Festlegung des Budgets zu berücksichtigen. Unterschreitet die vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht tarifgebundener Parteien das Tarifniveau um mehr als 20 %, ist sie nur ausnahmsweise angemessen. Eine solche Ausnahme kann zB anzunehmen sein, wenn Ausbildungsplätze für Personengruppen geschaffen werden, die sonst nur unter erheblichen Schwierigkeiten einen Ausbildungsplatz finden könnten, und die Ausbildung teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder finanziert wird.
Die Beklagte bildete die Klägerin als Gesundheits- und Krankenpflegerin aus. Die vereinbarte Ausbildungsvergütung unterschritt das Tarifniveau um 35,65 %. Der monatliche Unterschiedsbetrag belief sich auf 229,06 Euro brutto.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin restliche Monatsvergütungen und Einmalzahlungen in tariflicher Höhe. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Unterschied zum Arbeitsgericht stattgegeben. Der Neunte Senat hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise bestätigt und der Klage stattgegeben, soweit die Ansprüche der Klägerin nicht verfallen waren.

Quelle: Pressemitteilung 13/08 vom 19.02.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer, Klagefrist

22. Februar 2008

Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer in Kenntnis von dessen Schwerbehinderteneigenschaft, ohne zuvor nach § 85 SGB IX die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einzuholen, so kann der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend machen. Nach § 4 Satz 4 KSchG beginnt in derartigen Fällen die dreiwöchige Klagefrist gem. § 4 Satz 1 KSchG erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde (hier des Integrationsamtes) an den Arbeitnehmer (Bestätigung von BAG Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 AZR 487/02 - BAGE 107, 50 zur Insolvenzverwalterkündigung [§ 113 Abs. 2 Satz 2 InsO aF]).
Der Kläger stand seit Mai 2003 bei dem Beklagten in einem Arbeitsverhältnis als Automechaniker. Er ist taubstumm und deshalb mit einem Grad von 100 schwerbehindert. Mit Schreiben vom 13. Juni 2005 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2005, ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt zu haben. Die Parteien streiten darüber, ob das Kündigungsschreiben dem Kläger noch am 29. Juni 2005 oder später zugegangen ist.
Mit seiner am 21. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger vor allem unter Berufung auf das Zustimmungserfordernis nach § 85 SGB IX gegen die Kündigung vom 13. Juni 2005 und eine weitere, nunmehr nach Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung vom 31. Oktober 2005. Er macht geltend, der Lauf der dreiwöchigen Klagefrist habe nicht begonnen, da ihm eine Entscheidung des Integrationsamtes über die Kündigung vom 13. Juni 2005 nicht bekannt gegeben worden sei. Abgesehen davon sei ihm die Kündigung, da er gem. § 1896 f. BGB unter Betreuung stehe, wirksam erst nach dem 30. Juni 2005 durch Aushändigung des Kündigungsschreibens an seine Betreuerin zugegangen.
Das Arbeitsgericht hat dem gegen die Kündigung vom 13. Juni 2005 gerichteten Feststellungsantrag stattgegeben, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 2005 (Beendigung durch die Kündigung vom 31. Oktober 2005) festgestellt und den Beklagten zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dem ist der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts gefolgt. Auch wenn, was mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend geklärt werden konnte, die Kündigung vom 13. Juni 2005 dem Kläger schon am 29. Juni 2005 zugegangen sein sollte, war die Klageerhebung am 21. Juli 2005 nach § 4 Satz 4 KSchG rechtzeitig. Eine Entscheidung des Integrationsamtes über diese Kündigung war nicht getroffen und konnte deshalb dem Kläger bis zur Klageerhebung auch nicht bekannt gegeben werden. Der Lauf der dreiwöchigen Klagefrist hatte deshalb am 21. Juli 2005 noch nicht begonnen.

Quelle: Pressemitteilung 12/08 vom 13.02.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Volle Gerätevergütung für Multifunktionsgeräte

2. Februar 2008

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass für Multifunktionsgeräte die urheberrechtliche Gerätevergütung in voller Höhe zu zahlen ist. Der Urheber eines Werkes hat nach dem Urheberrechtsgesetz einen Vergütungsanspruch gegen den Hersteller, Importeur und Händler von Vervielfältigungsgeräten wie beispielsweise Fotokopiergeräten. Nach der bis Ende 2007 geltenden und in dem zu entscheidenden Fall noch zugrunde zu legenden Rechtslage bestimmt sich die Höhe der Vergütung – wenn nichts anderes vereinbart ist – nach im Gesetz ausdrücklich genannten festen Vergütungssätzen. Danach ist beispielsweise für ein Gerät, mit dem bis zu zwölf Farbkopien je Minute hergestellt werden können, eine Vergütung von 76,70 € geschuldet.

Die Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft Wort. Sie nimmt die urheberrechtlichen Befugnisse von Wortautoren und Verlegern wahr. Die Beklagte importiert und vertreibt sogenannte Multifunktionsgeräte, die in Verbindung mit einem Computer drucken und scannen sowie ohne einen Computer fotokopieren und teilweise auch faxen können. Die Klägerin hat die Feststellung beantragt, dass die Beklagte ihr für jedes bis 31. August 2001 in Verkehr gebrachte Multifunktionsgerät die in der bis Ende 2007 geltenden Fassung des Gesetzes festgelegte Vergütung zu zahlen hat.

Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof ist nicht der Ansicht der Beklagten gefolgt, dass für Multifunktionsgeräte eine geringere als die gesetzlich bestimmte Vergütung zu zahlen ist, weil diese Geräte nur in geringem Umfang als Fotokopierer verwendet werden. Dass Multifunktionsgeräte nicht nur kopieren, sondern darüber hinaus auch noch drucken und scannen sowie teilweise faxen können, ändert – so der BGH – nichts daran, dass sie in ihrer Kopierfunktion Fotokopiergeräten gleichstehen. Die Beklagte hatte ferner geltend gemacht, mit Multifunktionsgeräten würden, wenn sie zu Kopierzwecken eingesetzt würden, nur zu einem geringfügigen Anteil Vervielfältigungen von urheberrechtlich geschützten Vorlagen hergestellt; ferner seien die Vergütungssätze im Verhältnis zum Gerätepreis unverhältnismäßig hoch. Der Bundesgerichtshof hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass es nach der im Streitfall anwendbaren gesetzlichen Regelung für die Höhe der geschuldeten Gerätevergütung keine Rolle spiele, inwieweit sich unter den Vervielfältigungen urheberrechtsneutrale Kopien – wie etwa Vervielfältigungen eigener Schriftstücke – befinden; auch der Gerätepreis sei danach für die Vergütungshöhe nicht von Bedeutung. Da das Gesetz die Gerätehersteller allein aus Praktikabilitätsgründen mit einer Vergütungspflicht belaste, obwohl nicht sie selbst, sondern allenfalls die Käufer mit den Geräten urheberrechtlich relevante Kopien anfertigen, wäre es – so der BGH – allerdings verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der Vergütungssatz im Verhältnis zum Gerätepreis derart hoch wäre, dass die Hersteller die Last der Vergütung nicht auf die Erwerber der Geräte abwälzen könnten. Davon könne im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden. Nach der seit dem 1. Januar 2008 geltenden – im Streitfall nicht anwendbaren – Neuregelung des § 54a UrhG ist für die Vergütungshöhe maßgeblich, in welchem Maß die Geräte als Typen tatsächlich für urheberrechtsrelevante Vervielfältigungen genutzt werden; die Vergütung darf den Hersteller der Geräte nicht unzumutbar beeinträchtigen und muss in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts stehen. Der Bundesgerichtshof hat bereits am 6. Dezember 2007 entschieden, dass für Drucker keine Gerätevergütung zu zahlen ist (I ZR 94/05) und wird sich demnächst mit der Frage der Vergütungspflicht von Kopierstationen (I ZR 206/05, Termin: 8.5.2008) und PCs (I ZR 18/06, Termin vermutlich im Herbst 2008) zu befassen haben (BGH, Urteil vom 30. Januar 2008, I ZR 131/05, Multifunktionsgeräte).

Quelle: Pressemitteilung 20/07 vom 01.02.2008 auf www.bundesgerichtshof.de

 

Ordnungsgemäße Unterzeichnung einer Kündigung – Probezeit

24. Januar 2008

Das für Kündigungen nach § 623 BGB bestehende Schriftformerfordernis ist nur gewahrt, wenn das Kündigungsschreiben vom Kündigenden eigenhändig unterzeichnet ist. Die bloße Paraphierung mit einem Namenskürzel genügt nicht. Nach dem äußeren Erscheinungsbild muss erkennbar sein, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen. Insoweit ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Auf die Lesbarkeit des Namenszuges kommt es nicht an. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann das Arbeitsverhältnis gem. § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. In diesem Fall gilt nicht die längere Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Haben die Parteien eine Probezeit von bis zu sechs Monaten vereinbart, greift die Kündigungsfrist von zwei Wochen unabhängig davon ein, ob die Probezeitvereinbarung bezogen auf die geschuldete Tätigkeit noch angemessen ist. Ist die Probezeit in einem vorformulierten Arbeitsvertrag vereinbart, unterliegt sie keiner Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Mit einer vertraglich bestimmten Probezeit von sechs Monaten nutzen die Parteien lediglich den ihnen in § 622 Abs. 3 BGB zur Verfügung gestellten Rahmen aus. Eine Abweichung von Rechtsvorschriften, die gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB Voraussetzung für eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, liegt nicht vor. Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Fleischwerk betreibt, als Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. Die Beklagte kündigte nach rund vier Monaten das Arbeitsverhältnis. er Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die Kündigung war entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ordnungsgemäß unterzeichnet. Sie hat das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen beendet, da sie innerhalb der nach § 622 Abs. 3 BGB zulässigerweise vereinbarten Probezeit von sechs Monaten erfolgt ist (BAG, Urteil vom 24. Januar 2008 – 6 AZR 519/07).

 

Quelle: Pressemitteilung 08/08 vom 24.01.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Entgeltfortzahlung bei Freistellung des Arbeitnehmers

24. Januar 2008

Die Parteien trafen anlässlich eines Kündigungsschutzprozesses am 16. Dezember 2003 folgende vergleichsweise Regelung: Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Grund fristgemäßer, arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem 31.03.2004 sein Ende finden. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet, wobei die Klägerin ab 15.12.2003 unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt wird.“ Im Zeitpunkt des Vergleichs war die Klägerin bereits mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Nach ihrer Behauptung hatte sie am 15. Dezember 2003 ihre Arbeitsfähigkeit zurückerlangt. Ein ärztliches Attest wurde erst am 26. Januar 2004 ausgestellt. Die Beklagte leistete für Dezember 2003 keine und für Januar 2004 lediglich eine anteilige Vergütung. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung dieser Vergütungen. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Vereinbaren Parteien, das ein Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freigestellt wird, führt die Auslegung dieser Vereinbarung im Allgemeinen nur dazu, dass die Arbeitspflicht entfällt, ohne dass ein Anspruch auf Arbeitsvergütung über die gesetzlichen Grundlagen hinaus begründet wird. Wollen die Parteien eine entsprechende Zahlungspflicht schaffen, bedarf dies einer ausdrücklichen Regelung. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Beklagte sollte lediglich ohne Rücksicht auf die Freistellung „ordnungsgemäß abrechnen“. Deshalb schuldet sie Arbeitsvergütung nur bei Arbeitsfähigkeit der Klägerin oder nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung. Hinsichtlich der streitigen Arbeitsfähigkeit und deren Ursachen bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008, 5 AZR 393/07).

 

Quelle: Pressemitteilung 07/08 vom 23.01.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags

22. Januar 2008

Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig. Eine Verlängerung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG setzt voraus, dass sie noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags vereinbart und dadurch grundsätzlich nur die Vertragsdauer geändert wird, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen. Andernfalls handelt es sich um den Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags, dessen Befristung wegen des bereits bisher bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ohne Sachgrund nicht zulässig ist. Die Änderung des Vertragsinhalts anlässlich einer Verlängerung iSd. § 14 Abs. 2 TzBfG ist u.a. zulässig, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Verlängerung einen Anspruch auf die Vertragsänderung hatte. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 TzBfG entschieden. Die Klägerin wurde von der Beklagten am 1. September 2004 zunächst für ein Jahr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden befristet eingestellt. Am 11. Juli 2005 vereinbarten die Parteien für die Zeit ab dem 1. September 2005 ein befristetes Arbeitsverhältnis für ein weiteres Jahr mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Die Befristung zum 31. August 2006 ist unwirksam. Bei der Vereinbarung vom 11. Juli 2005 handelt es sich nicht um eine Vertragsverlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, da die Dauer der Arbeitszeit geändert wurde und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierauf kein Anspruch der Klägerin bestand (BAG, Urteil vom 16. Januar 2008 – 7 AZR 603/06).

Quelle: Pressemitteilung 02/08 vom 16.01.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Kündigung gegenüber leistungsschwachen Arbeitnehmern

22. Januar 2008

Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Die Klägerin ist seit 1995 in dem Versandkaufhaus der Beklagten als Lager- und Versandarbeiterin beschäftigt. Sie ist im „Sorter-Versand“ eingesetzt, wo Warensendungen auf der Grundlage der Kundenbestellungen fertiggestellt werden. Nach den Feststellungen der Beklagten wiesen die von der Klägerin gepackten Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg zumindest ca. dreimal so viele Packfehler auf wie dies der durchschnittlichen Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen entsprach. Nachdem auch zwei Abmahnungen und weitere Maßnahmen der Beklagten die Fehlerquote der Klägerin nicht nachhaltig gesenkt hatten, kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht wegen qualitativer Minderleistung. Die Klägerin hat mit ihrer Kündigungsschutzklage ua. geltend gemacht, angesichts der Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete falle die ihr angelastete Fehlerquote nicht ins Gewicht. Die Beklagte hat demgegenüber unter Darlegung der Packfehler im Einzelnen darauf hingewiesen, die von der Klägerin verursachten Packfehler (Kundenverwechslungen, fehlende Einzelteile etc.) führten in dieser Häufigkeit bei Kunden zum Imageverlust. Durch die Fehlerbehebung entstünden auch nicht unerhebliche Kosten. Die Vorinstanzen haben nach dem Klageantrag erkannt und dabei vor allem darauf abgestellt, eine Fehlerquote von ca. dem Dreifachen des Durchschnitts der anderen Mitarbeiter sei bei einer derartigen Tätigkeit schon an sich nicht geeignet, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen. Dem ist der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht gefolgt. Die Kündigung kann aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sein, da die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hat. Allerdings fehlt es hinsichtlich der konkret der Klägerin vorgeworfenen Fehler und ihrer Ursachen noch an weiteren Tatsachenfeststellungen und außerdem an einer ausreichenden Interessenabwägung. Deshalb ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden (BAG, Urteil vom 17. Januar 2008, 2 AZR 536/06).

Quelle: Pressemitteilung 05/08 vom 17.01.2008 auf www.bundesarbeitsgericht.de

Befristung im Anschluss an eine Ausbildung

18. Januar 2008

Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG liegt ein sachlicher Grund vor, wenn die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Diese Vorschrift ermöglicht lediglich den einmaligen Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags nach dem Ende der Ausbildung. Weitere befristete Arbeitsverträge können nicht auf den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG normierten Sachgrund gestützt werden. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden. Die Parteien schlossen nach Beendigung der Ausbildung der Klägerin zur Bürokommunikationskauffrau einen bis zum 23. Juli 2004 befristeten Arbeitsvertrag ab. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst bis zum 26. Januar 2005 und durch einen weiteren Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2004 bis zum 23. Juli 2005 verlängert. Die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung zum 23. Juli 2005 gerichtete Klage hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts – anders als in den Vorinstanzen – Erfolg. Die in dem Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2004 vereinbarte Befristung ist mangels eines sie rechtfertigenden Sachgrunds unwirksam. Die Befristung kann nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG gestützt werden, da sie nicht in dem ersten Arbeitsvertrag vereinbart wurde, den die Klägerin nach dem Ende ihrer Ausbildung abgeschlossen hat (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2007, 7 AZR 795/06) .

Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de

Briefzusteller wegen Verletzung des Postgeheimnisses entlassen

16. Januar 2008

Ein bei der Deutschen Post AG als Beamter eingesetzter Briefzusteller, der unter Verletzung des Postgeheimnisses Briefsendungen geöffnet hat, um sich das darin befindliche Bargeld rechtswidrig anzueignen, ist aus dem Dienst zu entfernen. Dies entschied der Senat für Disziplinarsachen des Oberverwaltungs­gerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz. Der im Jahre 1968 geborene Beamte steht als Briefzusteller im Dienst der Deutschen Post AG. Im Dezember 2005 konnte er durch den Umschlag einer Postsendung hindurch erken­nen, dass sich darin Bargeld befand. Der Beklagte öffnete den Brief und nahm das vorge­fundene Geld an sich. Anschließend öffnete er wei­tere 31 Sendungen und nahm auch deren Inhalt (insgesamt rund 100,– €) an sich. Die Briefe entsorgte er in einem Altpapiercontainer. Dabei wurde er von Bauarbeitern beo­bachtet, die die aus dem Altpapiercontainer wieder herausgenom­menen Briefe der Polizei übergaben. Das Amtsgericht verurteilte den Beamten wegen Verletzung des Postgeheimnisses in Tat­einheit mit Unterschlagung zu einer Geld­strafe von 65 Tagessätzen zu je 35,– €. Anschließend reichte die Deutsche Post AG Klage auf Entfernung des Beamten aus dem Dienst ein. Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Das Oberverwaltungsgericht wies die Berufung des Beamten zurück.

Das Öffnen der einem Briefzusteller zur Verfügung stehenden Postsendungen wiege seiner Art nach außerordentlich schwer, weil der Beamte damit den Kern­bereich seiner Dienst­pflichten verletzt habe. Denn zu den zentralen Pflichten eines Postbeamten gehöre neben der ordnungsgemäßen Zustellung der ihm anvertrauten Postsendungen insbesondere die Beachtung und aktive Wah­rung des durch das Grundgesetz garantierten Briefgeheimnisses. Die Missachtung dieser Kernpflichten stelle ein schweres Dienstvergehen dar. Hierdurch sei ein endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine pflicht­gemäße Amtsführung des Beamten eingetreten. Die Entfernung aus dem Dienst sei deshalb geboten (OVG, Urteil vom 7. Dezember 2007, 11 A 11152/07)

Quelle: Pressemitteilung, Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz